Vierter Kasus - Akkusativ


Der Akkusativ hat entweder die syntaktische Funktion eines Objekts, einer adverbialen Bestimmung oder eines Prädikatsnomens.
Aus diesem Umstand resultieren auch sehr unterschiedliche Fragen nach dem Akkusativ.

  1. In seiner Funktion als Objekt ist die Frage "wen oder was?": formicam comprimere ~ die Ameise zerquetschen
  2. Adverbial wird der Akkusativ hauptsächlich als Richtungskasus gebraucht (wohin?). Weiterhin kann er die räumliche (wie weit?) oder zeitliche Ausdehnung (wie lange?) beschreiben. Letztlich gibt es einige adverbial erstarrte Akkusative mit unterschiedlichen Bedeutungen.


Genauren Aufschluss über die Verwendungsweisen geben die einzelnen Kapitel, die in dieser Übersicht zusammengefasst sind:

Der Akkusativ als Objekt
Akkusativ des äußeren Objekts
Akkusativ des inneren Objekts
Doppelter Objektsakkusativ
Prädikativer Akkusativ
Der Akkusativ als adverbiale Bestimmung
Akkusativ als Richtungskasus
Akkusativ der räumlichen Ausdehnung
Akkusativ der zeitlichen Ausdehnung
Adverbialer Akkusativ







Akkusativ des äußeren Objekts



Im Grunde ist dies die eigentliche Verwendung des Akkusativs auf die Frage "wen oder was?". Der Name äußeres Objekt kommt daher, dass er die Person oder Sache bezeichnet, die von einer Handlung betroffen ist, während das innere Objekt die Verbalhandlung sachlich aufgreift und somit nur verstärkt.

Adierunt oraculum.Sie wendeten sich an das Orakel.
Hoc igitur consilium cepit (iniit).Also fasste er diesen Plan.
Hortulos fontibus irrigavit.Er bewässerte seine Gärtchen mit Quellwasser.
Frequens iuventute gymnasium armis et igni circumdedit omnesque, qui in eo erant, partim ferro, partim flamma necavitDas von jungen Leuten zahlreich besuchte Gymnasium umgab er mit Waffen und Feuer und alle, die in diesem waren, tötete er teils durchs Schwert, teils durch die Flamme.



Es ist wichtig, zu wissen, dass viele normalerweise intransitive Verben durch Verbindung mit Präpositionen, die mit dem Akkusativ stehen, zu transitiven Verben werden. So ist es im Deutschen allerdings auch, weshalb es niemanden verwundern sollte:

scanderesteigenascendere murumeine Mauer ersteigen
salirespringeninsilire equumauf das Pferd springen
loquiredenalloqui virumden Mann anreden
suevissegewohnt seinassuescere Armeniosdie Armenier an etwas gewöhnen



Weiterhin gibt es eine Reihe von transitiven Verben im Lateinischen, denen im Deutschen Intransitiva entsprechen. Anders ausgedrückt: Die folgenden Verben stehen im Lateinischen mit dem Akkusativ, im Deutschen jedoch mit dem Dativ:

(ad)iuvarehelfenfugerefliehen
(ad)aequaregleichkommensequifolgen
deficerefehlen, mangelnulciscirächen







Akkusativ des inneren Objekts



Man spricht von einem Akkusativ des inneren Objekts, wenn das Akkusativobjekt die Verbalhandlung inhaltlich aufgreift und nur verstärkt. In diesem Fall können selbst intransitive Verben, also jene Verben, die normalerweise kein Akkusativobjekt bei sich haben, ein solches zu sich nehmen. Dieser Sonderfall wird auch als etymologische Figur bezeichnet.

vitam vivereein Leben leben
pugnam pugnareeinen Kampf kämpfen
Mirum aqtue inscitum somniavi somnium.Ich träumte einen seltsamen und unverständlichen Traum.
Magna voce iuravi verissimum pulcherrimumque ius iurandum, quod populus item magna voce me vere iurasse iuravit.Mit lauter Stimme schwor ich den wahrsten und schönsten Eid, von dem das Volk ebenso mit lauter Stimme schwor, dass ich die Wahrheit geschworen hatte.







Doppelter Objektsakkusativ



Es gibt eine Reihe von Verben, die im Lateinischen mit zwei Akkusativobjekten stehen. Im Deutschen tun es diese Verben in der Regel jedoch nicht. Sie werden dort mit einem Dativ und Akkusativ konstruiert:

celareverheimlichen
docerelehren, unterrichten
poscere, flagitarefordern, verlangen
orare, rogarebitten, fragen


Quinque talenta poscit te mulier.Mutter fordere fünf Talente von dir.
Regem auxilia orabant.Sie baten den König um Hilfe.



Auch bei traducere, traicere und transportare, wenn der zweite Akkusativ den Ort angibt:

equitum magnam partem flumen traicereeinen großen Teil der Reiter über den Fuss setzen

bei zusätzlicher Zielangabe wird allerdings die Präposition trans gesetzt:

elephantes trans Alpes Romam




die Elephanten über die Alpen hinüber nach Rom führen



Ein Sonderfall des doppelten Objektsakkusativ ist der Akkusativ des Ausrufs, der zum Ausdruck von Schmerz, Klage oder Verwunderung benutzt wird. Seine Erscheinungsform lässt sich wohl damit erklären, dass er von einem gedachten Verb abhängig ist, das einen A.c.I. einleitet.

O me miserum!Ach ich Elender!
Heu stirpem invisam!Wehe dir, verhasstes Geschlecht!
O (se)* fortem!Oh welch Tapferer!


*Das se ist nur gedacht, um die Theorie des A.c.I. zu unterstützen. Dico se fortem esse. ~ Ich sage, er ist tapfer.







Prädikativer Akkusativ



Der prädikative Akkusativ ist ebenfalls ein doppelter Akkusativ. Der zweite Akkusativ nimmt in diesem Fall allerdings die Funktion eines Prädikatsnomens bzw. Prädikativums ein. Er beinhaltet eine für das Verb nötige Ergänzung. Der prädikative Akkusativ kann bei folgenden Wortgruppen stehen:
  1. bei den Verben des Machens, Wählens und Nennens
  2. bei den Verben des Gebens, Habens, und Nehmens
  3. bei den Verben des Beurteilens
  4. bei den reflexiven Verben "sich bewähren, erweisen, zeigen etc."


Ciceronem consulem facere, deligere, nominareCicero zum Konsul machen, wählen, ernennen
militem comitem dare, habere, sumereeinen Soldaten als Begleiter geben, haben, nehmen
Caesarem deum habereCaesar für einen Gott halten
se invictum praestare, praeberesich als unbesiegbar erweisen, zeigen







Akkusativ als Richtungskasus



Neben seiner Funktion als einfaches Objekt, wird der Akkusativ hauptsächlich zu Richtungsangaben verwendet. Für die Verwendung von Präpositionen beim Akkusativ als Richtungskasus gibt es einige Regeln:

Bei Städten und kleineren Inseln werden keine Präpositionen gesetzt, es sei denn, sie sind zusätzlich mit einem Attribut versehen.

Romam venirenach Rom kommen
in urbem Alexandriam proficisciin die Stadt Alexandria aufbrechen
in pulchram Troiam advenire*im schönen Troja ankommen


zur Bezeichnung der näheren Umgebung wird ad benutzt:

ad Zamam iter facere




in die Nähe von Zama marschieren



Wird eine Apposition mit Attribut versehen, tritt diese hinter das Beziehungswort:

in urbem Romam venirenach Rom kommen
Alexandriam, in pulchram urbem proficiscinach Alexandria, der schönen Stadt, aufbrechen



Ebenso wie bei Städten, verhält es sich auch mit domus und rus:

domum irenach Hause gehen
rus ferreaufs Land bringen
in aliam domum mitterein ein anderes Haus senden





* Verben des Sich-Versammelns und Ankommens stehen im Lat. abweichend vom Deutschen mit dem Akkusativ.







Akkusativ der räumlichen Ausdehnung



Der Akkusativ der räumlichen Ausdehnung antwortet auf die Fragen "wie weit, hoch, tief, breit?" und "wo entlang?".

ducenta milia passuum200.000 Schritte lang (300km)
sescentos pedes altus600 Fuß hoch, tief
Villa, quae duo milia passuum a mari abest.Eine Villa, die zweitausend Schritte vom Meer entfernt ist.
Tyrrhenum aequor navigaredas Tyrrhenische Meer durchfahren
oram Italiae legeredie Küste Italiens entlang segeln







Akkusativ der zeitlichen Ausdehnung



Dieser antwortet auf die Fragen "wie lange?" und "wie alt?".

De te dies noctesque cogitavi.Ich dachte Tage und Nächte über dich nach.
Graeci Troiam decem annos obsederunt.Die Griechen belagerten Troja zehn Jahre lang.
Augustus multos annos regnavit.Augustus herrschte viele Jahre.
omne verden ganzen Frühling lang
annos nonaginta natusneunzig Jahre alt







Adverbialer Akkusativ



Neben einigen adverbial erstarrten Formen wie multum, demum, parum oder facile findet sich der der adverbiale Gebrauch des Akkusativ bei neutralen Pronomina und Wendungen mit pars:

id aetatisin diesem Alterid temporiszu dieser Zeit
maximam partemgrößtenteilsnonnullam partemzu einigen Teilen
nihilin nichts



Zu den adverbialen Akkusativen zählt ebenfalls der sog. Accusativus limitationis, der auch Accusativus Graecus genannt wird, weil er eine aus dem Griechischen adaptierte Kasusfunktion darstellt. Syntaktisch gesehen handelt es sich bei diesem um eine adverbiale Bestimmung der Einschränkung bzw. des Geltungsbereiches (Vgl. auch Abl. limitationis). Die Verwendung des Accusativus limitationis beschränkt sich nahezu ausschließlich auf poetische Texte und findet sich zumeist bei Partizipien.

ornatus (sc. Liber) viridi tempora pampinoan den Schläfen mit grünem Weinlaub geschmückt
puniceo suras evincta (sc. Delia) coturnoan den Waden mit purpurnem Kothurn umkränzt
scutis protecti (sc. Galli) corpora longisihre Körper mit Langschilden bedeckt






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