Vegetius - Liber II - Deutsche Übersetzung


Liber II - veteris militiae mos, ad quem pedestris institui possit exercitus



[20] Gratifikationen für die Rekruten
[24] Vergleich mit anderen Berufen



20. Gratifikationen für die Rekruten


[20] Illud vero ab antiquis divinitus insitutum est, ut ex donativo, quod milites consequuntur, dimidia pars sequestraretur apud signa et ibidem ipsis militibus servaretur, ne per luxum aut inanium rerum comparationem ab contubernalibus posset absumi. Plerique enim homines et praecipue pauperes tantum erogant, quantum habere potuerint. Sepositio autem ista pecuniae primum ipsis contubernalibus docetur adcommoda; nam cum publica sustententur annona, ex omnibus donativis augetur eorum pro medietate castrense peculium. Miles deinde, qui sumptus suos scit apud signa depositos, de deserendo nihil cogitat, magis diligit signa, pro illis in acie fortius dimicat, more humani ingenii, ut pro illis habeat maximam curam, in quibus suam videt positam esse substantiam. Denique decem folles, hoc est decem sacci, per cohortes singulas ponebantur, in quibus haec ratio condebatur. Addebatur etiam saccus undecimus, in quem tota legio particulam aliquam conferebat, sepulturae scilicet causa, ut, si quis ex contubernalibus defecisset, de illo undecimo sacco ad sepulturam ipsius promeretur expensa. Haec ratio apud signiferos, ut nunc dicunt, in cofino seruabatur. Et ideo signiferi non solum fideles sed etiam litterati homines eligebantur, qui et servare deposita scirent et singulis reddere rationem.


[20] Jenes aber ist von den Alten vortrefflich geregelt worden, nämlich dass die Hälfte der Gratifikationen, die die Soldaten erlangen, bei den Feldzeichen aufgehoben und ebendort von Soldaten bewacht wurde, damit sie von den Kameraden nicht durch Ausschweifung oder den Erwerb nichtiger Sachen vergeudet werden könne. Die meisten Menschen und besonders die armen geben nämlich so viel aus, wie viel sie haben können. Dieses Beiseitelegen des Geldes, so lehrt man, sei zunächst für die Kameraden selbst von Vorteil; denn weil sie auf Staatskosten unterhalten werden, vermehrt sich mit allen Gratifikationen das Sparguthaben im Lager um deren Hälfte. Zweitens sinnt ein Soldat, der seine Erträge bei den Feldzeichen niedergelegt weiß, nicht auf's Desertieren; mehr noch liebt er die Feldzeichen, tapferer kämpft er für jene in der Schlacht, gemäß der menschlichen Veranlagung, eben darauf die größte Sorgfalt zu legen, worauf man seine Existenz gegründet sieht. Schließlich wurden zehn Beutel, d. h. zehn Säcke, auf die einzelnen Kohorten verteilt, in denen dieses Geld verwahrt wurde. Man fügte noch einen elften Sack hinzu, in den die ganze Legion einen kleinen Teil abführte, nämlich der Bestattung wegen, um, falls einer ihrer Kameraden gefallen war, die Kosten für dessen Bestattung aus dem besagten elften Sack zu bestreiten. Dieses Geld wurde bei den Bannerträgern, wie sie jetzt heißen, in einem Schanzkorb aufbewahrt. Und daher wurden als Bannerträger nicht nur ehrliche, sondern auch gebildete Menschen ausgewählt, die einerseits auf das Verwahrte aufzupassen, andererseits den Einzelnen Rechenschaft abzulegen wussten.



24. Was ein Soldat an anderen Berufen lernen kann


[24] Athleta venator auriga propter exiguam mercedem vel certe plebis favorem cotidiana meditatione artes suas aut servare aut augere consuevit; militem, cuius est manibus servanda res publica, studiosius oportet scientiam dimicandi usumque rei bellicae iugibus exercitiis custodire, cui contingit non tantum gloriosa victoria sed etiam amplior praeda, quem ad opes ac dignitates ordo militiae et imperatoris iudicium consuevit evehere. Artifices scaenici ab exercitiis non recedunt pro laude vulgi; miles sacramento lectus ab exercitio armorum vel novellus vel iam vetustus cessare non debet, cui pugnandum est pro salute propria et libertate communi, praesertim cum antiqua sit prudensque sententia omnes artes in meditatione consistere.


[24] Ein Athlet, Jäger und Wagenlenker erhält oder verbessert wegen eines kleinen Lohns oder mindestens, weil er die Gunst des Volkes will, üblicherweise in täglicher Übung seine Fertigkeiten; ein Soldat, von dessen Händen der Staat zu schützen ist, muss noch eifriger sein Wissen um den Schwertkampf und die Praxis des Kriegswesens durch kontinuierliche Übung erhalten. Ihm wird nicht nur ruhmreicher Sieg, sondern auch größere Beute zuteil; ihn pflegt die Militärordnung und das Urteil des Feldherrn zu Reichtum und Würden emporzuheben. Um von der Menge mit Anerkennung belohnt zu werden, üben Bühnenkünstler beständig weiter. Der eidlich verpflichtete Soldat, ob nun neu dabei oder schon altgedient, darf es nicht an Waffenübung fehlen lassen; er muss für sein eigenes Wohl und die gemeine Freiheit kämpfen, zumal da ein alter und wohl bekannter Grundsatz besagt, dass alle Kunst auf Übung beruhe.



Anmerkungen und Hilfen



[20]

omnibus donativis augetur eorum pro medietate : eorum bezieht sich auf omnibus donativis, nämlich „um die Hälfte dieser Schenkungen“ vermehrt sich das Vermögen im Lager
haec ratio : ratio ist hier und im Folgenden schwierig wiederzugeben; es meint nicht nur das Geld, sondern auch die "berechnenden" Angelegenheiten und Geschäfte, die mit diesem Geld zusammenhängen
qui (...) scirent : konsekutiver Nebensinn


[24]

pro laude vulgi : pro = "für" i. S. v. "zum Lohn"; vulgi ist subjektiver Genitiv
sit (...) sententia omnes artes in meditatione consistere : der AcI omnes artes – consistere ist Subjekt zu sit



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