Der Konjunktiv im Deutschen


Der Konjunktiv ist neben dem Indikativ (Wirklichkeits-) und Imperativ (Befehlsform) einer der drei Modi der deutschen Sprache. Man kann im Deutschen grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Konjunktivformen unterscheiden: Konjunktiv I und Konjunktiv II. Zuweilen werden diese beiden Konjunktivformen auch als selbstständige Modi bezeichnet (demnach gäbe es dann vier Modi im Deutschen).


Beide Konjunktive verfügen über Formen, mit denen entweder ein Gegenwarts-, Vergangenheits- oder Zukunftsbezug realisiert werden kann.

zeitlicher BezugKonjunktiv IKonjunktiv II
Gegenwartich breche, du brechest, er breche ...ich bräche, du brächest, er bräche ...
(ich würde brechen, du würdest brechen, er würde brechen ...)
Vergangenheitich habe gebrochen, du habest gebrochen, er habe gebrochen ...ich hätte gebrochen, du hättest gebrochen, er hätte gebrochen ...
Zukunftich werde brechen, du werdest brechen, er werde brechen ...ich bräche, du brächest, er bräche ...
(ich würde brechen, du würdest brechen, er würde brechen ...)
vollendete Zukunftich werde gebrochen haben, du werdest gebrochen haben, er werde gebrochen haben ...ich würde gebrochen haben, du würdest gebrochen haben, er würde gebrochen haben ...


Für den Konjunktiv II der Gegenwart/Zukunft ist auch eine Umschreibung mit würde + Infinitiv zulässig. Diese analytische Form wird besonders dann gebraucht, wenn sich die synthetische Form altertümlich oder ungewöhnlich anhört (ich backe → ich bük = ich würde backen). Weitere Verwendungsweisen werden im Folgenden erläutert.


Anmerkungen:
Die Form "er bräche", Konjunktiv II der Gegenwart, wird zuweilen auch als Konjunktiv Praeteritum bezeichnet, die Form "er hätte gebrochen", Konjunktiv II der Vergangenheit, als Konjunktiv Plusquamperfekt. Diese Bezeichnungen sind verwirrend, da "er bräche" keine Vergangenheit, sondern die Gegenwart (evtl. auch die Zukunft) und "er hätte gebrochen" keine Vorvergangenheit, sondern eine einfache Vergangenheit beschreibt. In diesem Kontext sei darauf hingewiesen, dass die Formen von Konjunktiv I und Konjunktiv II "er breche" und "er bräche", sowie "er habe gebrochen" und "er hätte gebrochen" jeweils zeitlich korrespondieren und sich nur in modaler bzw. semantischer Hinsicht voneinander unterscheiden.


Die nachstehende Tabelle zeigt die Konjunktivformen im Vergleich mit den Indikativformen:

TempusIndikativKonjunktiv IKonjunktiv II
Präsensich gehe, du gehst, er geht ...ich gehe, du gehest, er gehe ...---
PraeteritumIch ging, du gingst, er ging ...---ich ginge, du gingest, er ginge ...
(ich würde gehen, du würdest gehen usw.)
Perfektich bin gegangen, du bist gegangen, er ist gegangen ...ich sei gegangen, du seist gegangen, er sei gegangen ...---
PlusquamperfektIch war gegangen, du warst gegangen, er war gegangen ...---ich wäre gegangen, du wärst gegangen, er wäre gegangen ...
Futur Iich werde gehen, du wirst gehen, er wird gehen ...ich werde gehen, du werdest gehen, er werde gehen ...ich ginge, du gingest, er ginge ...
(ich würde gehen, du würdest gehen usw.)
Futur IIich werde gegangen sein, du wirst gegangen sein, er wird gegangen sein ...ich werde gegangen sein, du werdest gegangen sein, er werde gegangen sein ...ich würde gegangen sein, du würdest gegangen sein, er würde gegangen sein ...





Zur Funktion der deutschen Konjunktivformen



Funktionen des Konjunktiv I
      indirekte Rede
      Wunsch / Befehl
Funktionen des Konjunktiv II
      Irrealität
      indirekte Rede





  1. Funktionen des Konjunktiv I



    1. Indirekte Rede



      Der hauptsächliche Funktion des Konjunktiv I ist die Kennzeichnung einer Aussage als eine fremde. In der indirekten Rede, wenn der Sprecher also die Worte von jemand anderem wiedergibt, ist stets der Konjunktiv zu verwenden. Alltagssprachlich wird dies allerdings oft vernachlässigt.


      Gegenwart

      Volker sagte: "Der Herd funktioniert nicht." - direkte Rede

      Volker sagte, der Herd funktioniere nicht. - indirekte Rede


      Mit dem Konjunktiv I Präsens wird immer Gleichzeitigkeit zum übergeordneten Verb hergestellt, d. h. es spielt keine Rolle, in welchem Tempus das übergeordnete Verb steht.


      Vergangenheit

      Volker sagte: "Der Strom ist ausgefallen." - direkte Rede
      Volker sagte, der Strom sei ausgefallen. - indirekte Rede


      Mit dem Konjunktiv I Perfekt wird immer Vorzeitigkeit zum übergeordneten Verb hergestellt.


      Zukunft

      Volker sagte: "Ich werde den Strom einschalten." - direkte Rede
      Volker sagte, er werde den Strom einschalten. - indirekte Rede


      Mit dem Konjunktiv I Futur wird immer Nachzeitigkeit zum übergeordneten Verb hergestellt.



    2. Wunsch und Befehl



      Selten bezeichnet der Konjunktiv I auch einen (erfüllbaren) Wunsch oder Befehl. Diese Verwendung ist allerdings eher altertümlich und findet heute nur noch in wenigen Feldern Anwendung (z. B. Backbücher, Sprichwörter).

      Man nehme eine Prise Salz und mische sie in den Teig.

      Komme, was da wolle.

      Lobet den Herrn.






  2. Funktionen des Konjunktiv II



    1. Irrealität



      Der Konjunktiv II wird dazu verwendet, eine Annahme (Spekulation, Gedankenspiel) zu äußern. In dieser Funktion drückt er stets etwas aus, das (noch) nicht der Realität entspricht. Daher kann man den Konjunktiv II mit Recht als Irrealis bezeichnen. Der Konjunktiv II als Irrealis findet sich hauptsächlich in Konditionalgefügen.


      Vergangenheitsbezug (Konjunktiv Plusquamperfekt)

      Wenn ich dich gesehen hätte, wäre ich zu dir gekommen.
      (aber das habe ich nicht)


      In diesem Konditionalgefüge wird eine Spekulation über die Vergangenheit gemacht. Dabei wird eine Bedingung aufgestellt, deren Inhalt nicht der Realität entspricht bzw. entsprach. Da die Vergangenheit nicht mehr geändert werden kann, ist die Bedingung unerfüllbar, nicht realisierbar. Deshalb tritt bzw. trat auch die Folge nicht ein. Der Folgesatz ist ebenfalls irreal (rein spekulativ) und steht wie der Bedingungssatz im Konjunktiv II Plusquamperfekt.



      Gegenwarts- oder Zukunftsbezug

      Wenn ich dich sähe, käme ich zu dir.
      (aber das tue ich nicht - zumindest noch nicht)


      Das obige Konditionalgefüge beinhaltet eine Spekulation über die Gegenwart oder Zukunft. Wie auch im vorherigen Beispiel über die Vergangenheit, sind Bedingungs- und Folgesatz rein spekulativ, d. h. angenommen. Sie entsprechen nicht der Realität. Allerdings wäre es aufgrund der Unbestimmtheit der Zukunft hier nicht unbedingt richtig, zu sagen, die Bedingung sei unerfüllbar. Dazu ein weiteres Beispiel:


      Wenn ich Millionär wäre, dann kaufte ich mir einen 911er.


      Auch hier wird zweifelsohne nur spekuliert. Das Gefüge ist rein hypothetisch. Allerdings kann nicht von einer Unerfüllbarkeit der Bedingung gesprochen werden. Zumindest ist nicht auszuschließen, dass die Bedingung erfüllt wird. In diesem Fall ist es sinnig, von einem Potentialis zu sprechen (vgl. Duden, S. 517). Der Bedingung wird eine gewisse Realisierbarkeit zugesprochen: Ihre Erfüllung ist möglich. Der Potentialis wird in dieser Grammatik als Subkategorie des Irrealis begriffen. Beide Funktionen eint ihre Hypothetizität. Zum Zeitpunkt des Sprechens sind die mit ihnen gekennzeichneten Aussagen irreal. Allerdings ist beim Potentialis, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit gegeben, dass das Hypothetische real wird.


      Ob es sich bei einem Konjunktiv II Imperfekt nun um einen Irrealis oder Potentialis handelt, hängt letztendlich von der Sicht des Sprechers bzw. vom Kontext ab.

      Wenn ich dich sähe, käme ich zu dir.
      (Da ich meine Augen verloren habe, werde ich niemals wieder sehen können und somit ist die Bedingung nicht realisierbar.)


      Wenn ich dich sähe, käme ich zu dir.
      (Der Strom ist zwar ausgefallen, aber vielleicht wird er gleich wieder eingeschaltet, sodass ich dich sehen und zu dir kommen kann)



      Irreale Aussagen mit Hilfsverben

      Eine Eigenart des Deutschen ist es, dass "irreale Infinitive", die von Hilfsverben abhängig sind, ihre Irrealität auf ebenjene Hilfsverben übertragen. Dadurch wird das Modalverb selbst in den Konjunktiv II / Irrealis gesetzt, obgleich dieses nicht irreal ist, sondern eben nur der von diesem abhängige Infinitiv. Dies hängt wohl damit zusammen, dass wir keinen irrealen Infinitiv haben bzw. einen Infinitiv nicht als irreal kennzeichnen können, so wie etwa das Altgriechische mit ἄν.


      Ich hätte gewinnen können.
      (Nicht das Können, sondern das Gewinnen ist irreal)

      Wir müssten den Dieb einsperren, haben aber keine Beweise.
      (Nicht die Notwendigkeit, den Dieb einzusperren, ist irreal, sondern das Einsperren)


      Ähnlich verhält es sich mit unpersönlichen Ausdrücken, insbesondere solchen, die Modalverben paraphrasieren.

      Es wäre möglich gewesen, den Dieb auf frischer Tat zu erwischen.
      (Nicht die Möglichkeit, sondern das Erwischen ist irreal)

      Es wäre besser gewesen, ihn zu beobachten.
      (Nicht, dass es eine "bessere Alternative" gegeben hat, ist irreal, sondern das Beobachten)




    2. Indirekte Rede



      Der Konjunktiv II kann in drei Fällen innerhalb der indirekten Rede zur Anwendung kommen: Erstens als Ersatz für den Konjunktiv I, wenn dessen Form dem Indikativ gleicht (im Beispiel lautet die 3. Pl. Konj. Präs. wie die 3. Pl. Ind. Präs.):

      Walter behauptet: "Nur Hooligans gehen ins Stadion."

      Walter behauptet, dass nur Hooligans ins Stadion gehen / gingen.


      Zweitens kann der Konjunktiv II verwendet werden, wenn der Sprecher die fremde Ansicht selbst für irreal hält oder sich deutlich von der fremden Aussage distanzieren möchte.

      Fritz behauptet: "Ich habe nicht abgeschrieben."

      Fritz behauptet, er hätte nicht abgeschrieben.
      Ich weiß aber, dass er es sehr wohl getan hat und die Aussage des "nicht-Abschreibens" somit nicht real ist.


      Drittens kann und muss er natürlich auch dann verwendet werden, wenn die wiedergegebene Ansicht ohnehin schon irreal war:

      Fritz Volker sagte: Wenn ich Strom gehabt hätte, dann hätte ich mir ein Spiegelei gebraten."

      Volker sagte, dass er sich ein Spiegelei gebraten hätte, wenn er Strom gehabt hätte.





Literatur:

Duden. Die Grammatik. Mannheim, 20098.



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