| Oratio Philippica prima - Erste Philippische Rede [Kap. 1-15] | | |
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1. |
[1] Antequam de republica, patres conscripti, dicam ea, quae dicenda hoc tempore arbitror, exponam vobis breviter consilium et profectionis et reversionis meae. Ego cum sperarem aliquando ad vestrum consilium auctoritatemque rem publicam esse revocatam, manendum mihi statuebam, quasi in vigilia quadam consulari ac senatoria. Nec vero usquam discedebam nec a re publica deiciebam oculos ex eo die, quo in aedem Telluris convocati sumus. In quo templo, quantum in me fuit, ieci fundamenta pacis Atheniensiumque renovavi vetus exemplum; Graecum etiam verbum usurpavi, quo tum in sedandis discordiis usa erat civitas illa, atque omnem memoriam discordiarum oblivione sempiterna delendam censui.
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[1] Bevor ich über den Staat, verehrte Senatoren, diese Dinge sagen werde, von denen ich meine, dass sie zu dieser Zeit gesagt werden müssen, will ich euch kurz meinen Beschluss des Fortgangs als auch der Wiederkehr darlegen. Weil ich hoffte, dass der Staat endlich eurem Beschluss und eurem Willen überlassen wurde, beschloss ich, dass ich gleichsam bei dem gewissen konsularischen sowie senatorischen Wachposten bleiben muss. Und weder bin ich in der Tat irgendwohin gewichen, noch habe den Staat aus den Augen gelassen von dem Tag an, an dem wir in den Tempel der Tellus zusammengerufen wurden. In diesem Tempel habe ich, so sehr ich es konnte, die Fundamente für den Frieden gelegt und das alte Vorbild der Athener erneuert; ich habe sogar das griechische Wort gebraucht, das damals jene Bürgerschaft bei dem Schlichten von Streitigkeiten gebraucht hat, und ich meinte, dass alle Erinnerung an die Uneinigkeiten mit andauernder Vergessenheit gelöscht werden musste.
| 2. |
[2] Praeclara tum oratio M. Antoni, egregia etiam voluntas; pax denique per eum et per liberos eius cum praestantissimis civibus confirmata est. Atque his principiis reliqua consentiebant. Ad deliberationes eas, quas habebat domi de re publica, principes civitatis adhibebat; ad hunc ordinem res optimas deferebat; nihil tum, nisi quod erat notum omnibus, in C. Caesaris commentariis reperiebatur; summa constantia ad ea, quae quaesita erant, respondebat.
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[2] Es war damals eine hervorragende Rede des Marcus Antonius, auch der Wille war vortrefflich; der Frieden wurde schließlich durch ihn und durch dessen Kinder mit den vortrefflichsten Bürgern gesichert. Und mit diesen Anfängen stimmte das Übrige überein. Zu den beratenden Reden, die er zu Hause über den Staat abhielt, zog er Experten unseres Staates hinzu; zu diesem Senat brachte er sehr gute Vorschläge. Damals wurde in den Verfügungen des Gaius Caesars nichts gefunden außer dem, was allen bekannt war; mit höchster Geradlinigkeit antwortete er auf die Dinge, die gefragt worden waren.
| 3. |
[3] Num qui exsules restituti? Unum aiebat, praeterea neminem. Num immunitates datae? 'Nullae', respondebat. Assentiri etiam nos Ser. Sulpicio, clarissimo viro, voluit, ne qua tabula post Idus Martias ullius decreti Caesaris aut beneficii figeretur. Multa praetereo, eaque praeclara; ad singulare enim M. Antoni factum festinat oratio. Dictaturam, quae iam vim regiae potestatis obsederat, funditus ex re publica sustulit; de qua re ne sententias quidem diximus. Scriptum senatus consultum, quod fieri vellet, attulit; quo recitato, auctoritatem eius summo studio secuti sumus eique amplissimis verbis per senatus consultum gratias egimus.
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[3] Sind etwa einige, die verbannt worden sind, zurückgebracht worden? Er sagte „Einer, sonst niemand.“ Sollen Steuererlässe gewährt werden? „Keine“, antwortete er. Er wollte auch, dass wir Servius Sulpicius, einem sehr angesehenen Mann, zustimmten, damit keine Gesetztafel irgendeines Beschlusses oder einer Wohltat Caesars nach den Iden des März angeschlagen werden. Ich übergehe viele ausgezeichnete Dinge; zu nämlich der einen Tat des Marcus Antonius eilt die Rede. Er hat die Diktatur, die schon die Kraft einer königlichen Macht innehatte, völlig aus dem Staat entfernt. Über dies haben wir nicht einmal Meinungen ausgetauscht. Er brachte einen geschriebenen Senatsbeschluss heran, von dem er wollte, dass er geschieht; nachdem dieser vorgelesen worden war, folgten wir seinem Willen höchstem Eifer und dankten ihm durch einen Senatsbeschluss mit sehr reichlichen Worten.
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4. |
[4] Lux quaedam videbatur oblata non modo regno, quod pertuleramus, sed etiam regni timore sublato, magnumque pignus ab eo rei publicae datum, se liberam civitatem esse velle, cum dictatoris nomen, quod saepe iustum fuisset, propter perpetuae dictaturae recentem memoriam funditus ex re publica sustulisset.
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[4] Ein gewisses Licht schien sich nicht nur durch die Königsherrschaft zu zeigen, die wir ertragen hatten, sondern auch durch die beseitigte Angst vor einer Königsherrschaft, und es wurde von ihm ein großes Pfand für den Staat gegeben, dass er wolle, dass eine freie Bürgerschaft ist, weil er den Namen des Diktators, der oft gerecht gewesen war, wegen der kürzlichen Erinnerung an die dauerhafte Diktatur gänzlich aus dem Staat entfernt hatte.
| 5. |
[5] Liberatus periculo caedis paucis post diebus senatus; uncus impactus est fugitivo illi, qui in Mari nomen invaserat. Atque haec omnia communiter cum collega; alia porro propria Dolabellae, quae, nisi collega afuisset, credo iis futura fuisse communia. Nam cum serperet in urbe infinitum malum idque manaret in dies latius idemque bustum in foro facerent, qui illam insepultam sepulturam effecerant, et cotidie magis magisque perditi homines cum sui similibus servis tectis ac templis urbis minitarentur, talis animadversio fuit Dolabellae cum in audacis sceleratosque servos, tum in impuros et nefarios liberos, talisque eversio illius exsecratae columnae, ut mihi mirum videatur tam valde reliquum tempus ab illo uno die dissensisse.
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[5] Der Senat wurde nach wenigen Tagen von der Gefahr des Mordes befreit; der Haken wurde jenem Flüchtling an den Hals geworfen, der auf den Namen Marius eingedrungen war. Und dies alles geschah gemeinsam mit seinem Amtskollegen; ferner waren andere Dinge dem Dolabella eigentümlich, von denen ich glaube, dass sie diesen gemeinsam gewesen wären, wenn der Amtskollege nicht abwesend gewesen wäre.
Denn als in die Stadt ein grenzenloses Übel schlich und sich dies von Tag zu Tag weiter ausbreitete, errichteten dieselben auf dem Forum ein Grabmal, die jenes Begräbnis, das so gut wie keines war, veranlassten, und als täglich immer mehr verdorbene Menschen mit Sklaven, die ihnen gleich waren, die Häuser und Tempel der Stadt bedrohten, richtete Dolabella seine Aufmerksamkeit ebenso auf die frechen und verbrecherischen Sklaven, als auch auf die unreinen und frevelhaften Freien, und zerstörte so jene verfluchte Säule, wie es mir wunderlich schient, so sehr, dass die übrige Zeit von jenem einen Tag unterschieden wurde.
| 6. |
[6] Ecce enim Kalendis Iuniis, quibus ut adessemus, edixerat, mutata omnia: nihil per senatum, multa et magna per populum et absente populo et invito. Consules designati negabant se audere in senatum venire; patriae liberatores urbe carebant ea, cuius a cervicibus iugum servile deiecerant; quos tamen ipsi consules in contionibus et in omni sermone laudabant. Veterani qui appellabantur, quibus hic ordo diligentissime caverat, non ad conservationem earum rerum, quas habebant, sed ad spem novarum praedarum incitabantur. Quae cum audire mallem quam videre haberemque ius legationis liberum, ea mente discessi, ut adessem Kalendis Ianuariis, quod initium senatus cogendi fore videbatur.
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[6] Denn, siehe da, an den Kalenden des Juni , an denen er ausgerufen hatte, dass wir anwesend sein sollten, wurden alle Dinge verändert: nichts geschah durch den Senat, vieles Wichtiges durch die Volksversammlung sowohl in Abwesenheit als auch gegen den Willen des Volkes. Die designierten Konsul sagten, dass sie es nicht wagten, in den Senat zu kommen; die Befreier des Vaterlandes mussten der Stadt entsagen, dieser, von deren Nacken sie das sklavische Joch verdrängt hatten, die die Konsuln selbst dennoch bei Versammlungen und bei jedem Gespräch lobten. Diejenigen, die die Alten genannt wurden, für die dieser Senat sehr sorgfältig gesorgt hatte, wurden nicht zur Bewahrung ihrer Sachen, die sie hatten, sondern zu der Hoffnung auf neue Beutezüge angespornt. Weil ich diese Dinge lieber hören als sehen wollte und ich das freie Recht der Gesandtschaft hatte, verließ ich Rom in der Absicht, am 1. Januar anwesend zu sein, weil es mir schien, dass der Beginn der Einberufung des Senats dann sein wird.
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7. |
[7] Exposui, patres conscripti, profectionis consilium; nunc reversionis, quae plus admirationis habet, breviter exponam. Cum Brundisium iterque illud, quod tritum in Graeciam est, non sine causa vitavissem, Kalendis Sextilibus veni Syracusas, quod ab ea urbe transmissio in Graeciam laudabatur; quae tamen urbs mihi coniunctissima plus una me nocte cupiens retinere non potuit. Veritus sum, ne meus repentinus ad meos necessarios adventus suspicionis aliquid afferet, si essem commoratus. Cum autem me ex Sicilia ad Leucopetram, quod est promontorium agri Regini, venti detulissent, ab eo loco conscendi, ut transmitterem, nec ita multum provectus, reiectus austro sum in eum ipsum locum, unde conscenderam.
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[7] Ich habe, werte Senatoren, die Absicht meiner Reise dargelegt: nun werde ich die Absicht meiner Rückkehr, die mehr Verwunderung hervorruft, kurz darlegen. Da ich Brundisium und jenen Weg, der gewöhnlich nach Griechenland geht, nicht ohne Grund gemieden hatte, kam ich am 1. August nach Syracus, weil von dieser Stadt aus der Übergang nach Griechenland empfohlen wurde: diese Stadt, die mir sehr verbunden ist, konnte mich dennoch nicht, obwohl sie es wünschte, mehr als eine Nacht festhalten. Ich fürchtete, dass meine plötzliche Ankunft bei meinen Freunden irgendeinen Verdachte wecken könnte, wenn ich verweilte. Als mich jedoch die Winde von Sizilien nach Leucopetra, was ein Vorgebirge Regiums ist, trugen, bestieg ich von diesem Ort aus ein Schiff, um überzusetzen. Und nachdem ich nicht viel weiter geführt worden war, wurde ich vom Südwind zurückgeworfen an diesen Ort selbst, von wo ich das Schiff bestiegen hatte.
| 8. |
[8] Cumque intempesta nox esset mansissemque in villa P.Valeri, comitis et familiaris mei, postridieque apud eundem ventum exspectans manerem, municipes Regini complures ad me venerunt, ex iis quidam Roma recentes; a quibus primum accipio M. Antoni contionem, quae mihi ita placuit, ut, ea lecta, de reversione primum coeperim cogitare. Nec ita multo post edictum Bruti affertur et Cassi, quod quidem mihi, fortasse quod eos plus etiam rei publicae quam familiaritatis gratia diligo, plenum aequitatis videbatur. Addebant praeterea (fit enim plerumque, ut ii, qui boni quid volunt afferre, affingant aliquid, quo faciant id, quod nuntiant, laetius) rem conventuram; Kalendis Sext. senatum frequentem fore; Antonium, repudiatis malis suasoribus, remissis provinciis Galliis, ad auctoritatem senatus esse rediturum.
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[8] Als es tiefe Nacht war und ich in dem Haus des Publius Valerius, meines Begleiters und Freundes, geblieben war und als ich am folgenden Tag bei demselben blieb, weil ich auf Wind wartete, kamen mehrere Bürger aus Regium zu mir, von denen einige kürzlich aus Rom gekommen waren: von diesen habe ich zum ersten Mal von einen Vortag des Marcus Antonius empfangen, der mir so gefielt, dass ich, nachdem ich ihn gelesen hatte, zum ersten Mal über eine Rückkehr nachzudenken begann. Und nicht so viel später wurde mir eine Verordnung des Brutus und des Cassius herangetragen, die jedenfalls mir, vielleicht, weil ich diese mehr um des Staates als um der Freundschaft willen schätze, voll von Besonnenheit schien. Außerdem fügten sie hinzu – es geschieht nämlich meistens, dass diejenigen, die etwas Gutes berichten wollen, diesem etwas andichten, durch das sie dies, was sie melden, freudiger machen – dass man sich einigen wird: dass an den Kalenden der Senat zahlreich anwesend sein wird. Antonius werde, nachdem er seine schlechten Berater zurückgewiesen hat und nachdem er die gallischen Provinzen aufgegeben hat, zu der Autorität des Senats zurückkommen.
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[9] Tum vero tanta sum cupiditate incensus ad reditum, ut mihi nulli neque remi neque venti satis facerent, non quo me ad tempus occursurum non putarem, sed ne tardius, quam cuperem, rei publicae gratularer. Atque ego celeriter Veliam devectus Brutum vidi, quanto meo dolore, non dico. Turpe mihi ipsi videbatur in eam urbem me audere reverti, ex qua Brutus cederet, et ibi velle tuto esse, ubi ille non posset. Neque vero illum similiter, atque ipse eram, commotum esse vidi. Erectus enim maximi ac pulcherrimi facti sui conscientia, nihil de suo casu, multa de vestro querebatur.
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[9] Da aber wurde ich durch ein so großes Verlangen zur Rückkehr gereizt, dass mich keine, weder Ruder noch Winde, zufriedenstellten, nicht weil ich nicht geglaubt hätte, dass ich rechtzeitig eintreffen werde, sondern um dem Staat nicht langsamer als ich es wünschte Glück zu wünschen. Und ich sah, nachdem ich schnell nach Velia gefahren war, Brutus. Mit wie viel Schmerz kann ich nicht sagen. Es schien mir selbst schändlich, dass ich es wagte, in diese Stadt zurückzukehren, aus der Brutus fortging, und dort in Sicherheit leben zu wollen, wo jener es nicht konnte. Ich sah, dass jener in der Tat nicht zugleich bewegt war wie ich selbst es war. Aufrecht durch das Bewusstsein seiner sehr großen und vortrefflichen Tat nämlich klagte er nicht über sein eigenes Schicksal, viel aber über eures.
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Anmerkungen und Hilfen
[8]
legatio libera : die »freie Gesandtschaft, Wahlgesandtschaft«, die sich ein Senator vom Senate übertragen ließ, wenn er bloß in eigenen Angelegenheiten od. zum Vergnügen in eine od. mehrere Provinzen reisen wollte, wo er dann gleich einem wirklichen Gesandten verpflegt u. weiter befördert wurde
[Lateinisch-deutsches Handwörterbuch: legatio, S. 1. Digitale Bibliothek Band 69: Georges: Lateinisch-deutsches Wörterbuch, S. 32325 (vgl. Georges-LDHW Bd. 2, S. 604)]
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quanto dolore : add. viderit; Abl. modi
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10. |
[10] Exque eo primum cognovi, quae Kalendis Sextilibus in senatu fuisset L. Pisonis oratio. Qui quamquam parum erat (id enim ipsum a Bruto audieram), a quibus debuerat, adiutus, tamen et Bruti testimonio (quo quid potest esse gravius?) et omnium praedicatione, quos postea vidi, magnam mihi videbatur gloriam consecutus. Hunc igitur ut sequerer, properavi, quem praesentes non sunt secuti, non ut proficerem aliquid (nec enim sperabam id nec praestare poteram), sed ut, si quid mihi humanitus accidisset (multa autem impendere videntur praeter naturam etiam praeterque fatum), huius tamen diei vocem testem rei publicae relinquerem meae perpetuae erga se voluntatis.
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[10] Und von diesem erfuhr ich zuerst, was für eine Rede von Lucius Piso am 1. August im Senat gehalten worden war: Und obwohl dieser zu wenig unterstützt worden war – dies selbst hatte ich nämlich von Brutus erfahren – von denen, von denen er unterstützt werden hätte müssen, schien mir dennoch sowohl durch das Zeugnis des Brutus – was kann gewichtiger sein als dies? – als auch durch die Verkündung aller, die ich später sah, Ruhm gefolgt zu sein. Also eilte ich, diesem zu folgen, dem die Anwesenden nicht folgten, nicht um etwas zu erreichen – weder hoffte ich dies, noch konnte ich es gewährleisten – sondern um, wenn mir etwas Menschliches geschehen würde – vieles scheint jedoch bevorzustehen außer der Natur sogar und außer dem Schicksal - dem Staat dennoch eine Rede dieses Tages als Zeuge meines dauerhaften Wohlwollens gegenüber diesem zu überlassen.
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[11] Quoniam utriusque consilii causam, patres conscripti, probatam vobis esse confido, priusquam de re publica dicere incipio, pauca querar de hesterna Antoni iniuria; cui sum amicus, idque me non nullo eius officio debere esse prae me semper tuli. Quid tandem erat causae, cur in senatum hesterno die tam acerbe cogerer? Solusne aberam, an non saepe minus frequentes fuistis, an ea res agebatur, ut etiam aegrotos deferri oporteret? Hannibal, credo, erat ad portas, aut de Pyrrhi pace agebatur, ad quam causam etiam Appium illum et caecum et senem delatum esse memoriae proditum est.
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[11] Da ich nun darauf vertraue, dass mein Grund für meinen doppelten Entschluss durch euch, werte Senatoren, gutgeheißen wurde, werde ich, bevor ich beginne über den Staat zu sprechen, weniges über das gestrige Unrecht des Marcus Antonius beklagen: Ich bin ein Freund von ihm, und dies habe ich immer vor mir hergetragen, dass ich durch einige Handlungen dessen dazu verpflichtet bin. Was war es eigentlich für ein Grund, warum ich am gestrigen Tag in den Senat so streng einberufen wurde? War ich als einziger abwesend gewesen, oder wart ihr nicht oft weniger zahlreich, oder wurde eine große Sache verhandelt, dass man auch die Kranken herbeiholen musste? Hannibal, glaube ich, war an den Toren oder es wurde über den Frieden mit Pyrrhus verhandelt, ein Fall, bei dem auch jener blinde und alte Appius herbeigebracht wurde, wie es überliefert wurde .
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[12] De supplicationibus referebatur, quo in genere senatores deesse non solent. Coguntur enim non pignoribus, sed eorum, de quorum honore agitur, gratia, quod idem fit, cum de triumpho refertur. Ita sine cura consules sunt, ut paene liberum sit senatori non adesse. Qui cum mihi mos notus esset, cumque e via languerem et mihimet displicerem, misi pro amicitia, qui hoc ei diceret. At ille, vobis audientibus, cum fabris se domum meam venturum esse dixit. Nimis iracunde hoc quidem et valde intemperanter. Cuius enim maleficii tanta ista poena est, ut dicere in hoc ordine auderet se publicis operis disturbaturum publice ex senatus sententia aedificatam domum? Quis autem tanto damno senatorem coegit, aut quid est ultra pignus aut multam? Quod si scisset, quam sententiam dicturus essem, remisisset aliquid profecto de severitate cogendi.
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[12] Es wurde über Dankfeste berichtet, eine Art von Verhandlungen, bei der die Senatoren für gewöhnlich nicht fehlen. Sie versammeln sich nämlich nicht wegen der Zwangsmittel, sondern wegen der Gunstbezeugung derer, über deren Ehrenamt verhandelt wird. Dies geschieht ebenso, wenn über einen Triumphzug berichtet wird. Die Konsuln sind dann so ohne Sorge, dass es einem Senatoren beinahe freisteht, nicht anwesend zu sein. Weil mir diese Sitte bekannt war und weil ich von dem Weg müde und übler Laune war, schickte ich für unsere Freundschaft einen, um diesem dies zu sagen. Aber jener sagte euch, wie ihr es hörtet, dass er mit Handwerkern zu meinem Haus kommen werde. Dies war freilich zu sehr zornig und sehr unbeherrscht. Welche Übeltat verdient diese so große Strafe da, dass er es wagte, in diesem Stand zu sagen, dass er mit öffentlichen Mitteln ein Haus zerstören will, das auf öffentliche Kosten auf Beschlussantrag des Senats erbaut wurde? Wer aber hat jemals einen Senator mit einem so großen Verlust genötigt? Oder was gibt es über eine Ordnungsstrafe oder einer Geldbuße hinaus? Wenn er dies gewusst hätte, welchen Beschlussantrag ich stellen wollte, hätte er auf alle Fälle etwas von der Strenge des mich Herbeirufens abgelassen.
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Anmerkungen und Hilfen
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memoriae proditum est : Idiom, "dem Andenken übergeben" = "schriftlich überliefern"
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13. |
[13] Anme censetis, patres conscripti, quod vos inviti secuti estis, decreturum fuisse, ut parentalia cum supplicationibus miscerentur, ut inexpiabiles religiones in rem publicam inducerentur, ut decernerentur supplicationes mortuo? Nihil dico, cui. Fuerit ille Brutus, qui et ipse dominatu regio rem publicam liberavit et ad similem virtutem et simile factum stirpem iam prope in quingentesimum annum propagavit; adduci tamen non possem, ut quemquam mortuum coniungerem cum deorum immortalium religione, ut, cuius sepulcrum usquam extet, ubi parentetur, ei publice supplicetur. Ego vero eam sententiam dixissem, ut me adversus populum Romanum, si qui accidisset gravior rei publicae casus, si bellum, si morbus, si fames, facile possem defendere, quae partim iam sunt, partim timeo ne impendeant. Sed hoc ignoscant di immortales velim et populo Romano, qui id non probat, et huic ordini, qui decrevit invitus.
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[13] Oder meint ihr, werte Senatoren, dass ich für das, was ihr gegen euren Willen verfolgt habt, gestimmt hätte, nämlich dass die Totenfeiern mit den Dankfesten vermischt werden, dass unsühnbare religiöse Handlungen in den Staat eingeführt werden, dass Dankfeste für einen Toten beschlossen werden? Ich sage nicht für wen. Wäre jener Lucius Brutus es gewesen, der einerseits selbst den Staat von der königlichen Herrschaft befreit hat, andererseits seine Nachkommenschaft zu einer ähnlichen Tüchtigkeit und einer ähnlichen Tat schon fast bis zum 500sten Jahr fortgesetzt hat: könnte ich dennoch nicht dazu veranlasst werden, dass ich irgendeinen Toten mit religiösen Handlungen für unsterbliche Götter verbinde; dass diesem, obwohl dessen Grab irgendwo noch existiert, wo ein feierliches Totenopfer dargebracht werden kann, auf Staatskosten ein Dankgebet dargebracht wird. Ich hätte aber diesen Beschlussantrag gestellt, um mich gegen das römische Volk leicht verteidigen zu können, wenn irgendein ziemlich schwerwiegendes Ereignis für den Staat, wenn ein Krieg, wenn eine Krankheit, wenn eine Hungersnot sich wohl ereignet hätte; diese Dinge sind teils schon passiert, teils fürchte ich, dass sie bevorstehen. Aber mögen die unsterblichen Götter dies verzeihen, sowohl dem römischen Volk, das dies nicht billigt, als auch diesem Senat, der es gegen den Willen beschloss.
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[14] Quid? de reliquis rei publicae malis licetne dicere? Mihi vero licet et semper licebit dignitatem tueri, mortem contemnere. Potestas modo veniendi in hunc locum sit, dicendi periculum non recuso. Atque utinam, patres conscripti, Kalendis Sextilibus adesse potuissem! non quo profici potuerit aliquid, sed ne unus modo consularis, quod tum accidit, dignus illo honore, dignus republica inveniretur. Qua quidem ex re magnum accipio dolorem, homines amplissimis populi Romani beneficiis usos L.Pisonem ducem optimae sententiae non secutos. Idcircone nos populus Romanus consules fecit, ut in altissimo gradu dignitatis locati rem publicam pro nihilo haberemus? Non modo voce nemo L. Pisoni consularis, sed ne vultu quidem assensus est. Quae, malum!, est ista voluntaria servitus?
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[14] Was? Ist es erlaubt über die übrigen Untaten des Staates zu reden? Mir aber ist es erlaubt und wird es immer erlaubt sein, meine Würde zu verteidigen, den Mord zu verachten. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, an diese Stelle zu kommen, verweigere nicht die Gefahr des Sprechens. Und wenn ich doch am 1. August dabei sein hätte können, werte Senatoren. Nicht weil irgendetwas hätte erreicht werden können, sondern um nicht nur einen einzigen ehemaligen Konsul, was damals geschehen ist, der jener Ehre würdig, der des Staates würdig war, zu finden. Wegen dieser Sache erleide ich großen Schmerz, nämlich dass Männer, die die größten Auszeichnungen des römischen Volkes innehatten, dem Lucius Piso als Führer des besten Vorschlags nicht folgten. Hat uns das römische Volk deswegen zu Konsuln gemacht, damit wir, wenn wir zu der höchsten Stufe des Ansehens gestellt worden sind, den Staat für nichts erachten? Nicht nur mit der Stimme hat niemand dem ehemaligen Konsul Lucius Piso zugestimmt, sondern nicht einmal mit dem Gesicht.
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[15] Fuerit quaedam necessaria; neque ego hoc ab omnibus iis desidero, qui sententiam consulari loco dicunt. Alia causa est eorum, quorum silentio ignosco, alia eorum, quorum vocem requiro; quos quidem doleo in suspicionem populo Romano venire non modo metu, quod ipsum esset turpe, sed alium alia de causa deesse dignitati suae. Quare primum maximas gratias et ago et habeo Pisoni, qui, non quid efficere posset in re publica, cogitavit, sed quid facere ipse deberet. Deinde a vobis, patres conscripti, peto, ut, etiamsi sequi minus audebitis rationem atque auctoritatem meam, benigne me tamen, ut adhuc fecistis, audiatis.
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[15] Was ist das, oh Übel, für eine freiwillige Sklaverei? Sie wäre eine gewisse notwendige gewesen; und ich verlange dies nicht von allen diesen, die ihre Meinung für einen ehemaligen Konsul abgeben. Es gibt einen anderen Grund derjenigen, deren Schweigen ich verzeihe; ein anderer Grund derjenigen, deren Stimme ich suche. Ich jedenfalls bedauere, dass diese bei dem römischen Volk in den Verdacht kommen, nicht aus Furcht, was an sich schon schändlich wäre, sondern dass ein jeder aus anderem Grund seiner amtlichen Würde nicht gerecht wird. Deswegen spreche ich den größten Dank aus und danke sehr dem Piso, der nicht bedachte, was er im Staat erreichen könnte, sondern was er selbst zu machen schuldig ist. Schließlich erbitte ich von euch, werte Senatoren, dass ihr, auch wenn ihr der Vernunft und meiner Autorität weniger wagt zu folgen, mir dennoch bereitwillig folgt, wie ihr es bis hierhin gemacht habt.
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