Aurelius Prudentius Clemens - Liber Cathemerinon - Praefatio


Liber Cathemerinon






PRAEFATIO






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Per quinquennia iam decem,
ni fallor, fuimus: septimus insuper
annum cardo rotat, dum fruimur sole volubili.
Instat terminus et diem
vicinum senio iam Deus adplicat.

Quid nos utile tanti spatio temporis egimus?
Aetas prima crepantibus
flevit sub ferulis: mox docuit toga
infectum vitiis falsa loqui, non sine crimine.
Tum lasciva protervitas,

et luxus petulans (heu pudet ac piget)
foedavit iuvenem nequitiae sordibus ac luto.
Exin iurgia turbidos
armarunt animos et male pertinax
vincendi studium subiacuit casibus asperis.

Bis legum moderamine
frenos nobilium reximus urbium,
ius civile bonis reddidimus, terruimus reos.
Tandem militiae gradu
evectum pietas principis extulit

adsumptum propius stare iubens ordine proximo.
Haec dum vita volans agit,
inrepsit subito canities seni
oblitum veteris me Saliae consulis arguens:
ex quo prima dies mihi,

quam multas hiemes volverit et rosas
pratis post glaciem reddiderit, nix capitis probat.
Numquid talia proderunt
carnis post obitum vel bona vel mala,
cum iam, quidquid id est, quod fueram, mors aboleverit?

Dicendum mihi: Quisquis es,
mundum, quem coluit, mens tua perdidit:
non sunt illa Dei, quae studuit, cuius habeberis.
Atqui fine sub ultimo
peccatrix anima stultitiam exuat:

saltem voce Deum concelebret, si meritis nequit:
hymnis continuet dies,
nec nox ulla vacet, quin Dominum canat:
pugnet contra hereses, catholicam discutiat fidem,
conculcet sacra gentium,

labem, Roma, tuis inferat idolis,
carmen martyribus devoveat, laudet apostolos.
Haec dum scribo vel eloquor,
vinclis o utinam corporis emicem
liber, quo tulerit lingua sono mobilis ultimo




Schon 50 Jahre, wenn ich mich nicht täusche, habe ich verlebt: überdies rollt der siebte Wendepunkt das Jahr, während ich die kreisende Sonne genieße.
Das Ende steht schon bevor und Gott fügt einen dem Dahinschwinden nahen Tag hinzu.

Was habe ich Nützliches in einem solangen Zeitraum gemacht?
Unter tönendem Gertenkraut weinte meine Jugend: darauf lehrte mich, der ich mit Lastern versehenen, die Toga Falsches zu sprechen, nicht ohne Tadel.
Dann verunstalteten zügellose Frechheit,

und übermäßige Ausschweifung (ahh, es beschämt und ekelt mich) den Jüngling mit schmutziger Gesinnung und Dreck der Nichtsnutzigkeit.
Darauf bewaffneten Stichelreden das zerwühlte Gemüt und mein über ausdauernder
Eifer, zu siegen, war bitterem Fall preisgegeben.

Zweimal hielt ich die Zügel berühmter Städte durch die Kontrolle der Gesetze, gab den Guten das Bürgerrecht, versetzte die Schuldigen in Angst und Schrecken.
Schließlich hob mich, nachdem ich in den Rang eines Offiziers versetzt worden war, die Barmherzigkeit des Kaisers in die Höhe,

indem sie mir, der ich hinzugezogen, befahl, näher im nächsten Rang zu stehen.
Während das Leben im Flug dies verrichtete, schlich sich dem alten Mann plötzlich graues Haar ein, das kundgab, dass ich den ehemaligen Konsul Salia vergessen hätte:

Wie viele Winter er umrollte, seitdem mir der erste Lebenstag war, und wie viele Rosen er den Wiesen nach dem Frost wiedergab, beweist der Schnee meines Hauptes. Denn was haben derartige gute oder schlechte Dinge nach dem Tod des Fleisches genützt, wenn schon der Tod das, was auch immer es ist, was ich gewesen war, ausgelöscht hat?

Ich muss sagen: „ Wer auch immer du bist, dein Geist hat die Welt, die er bewohnte, verloren: Jene Dinge, um die du dich bemühtest, gehören nicht Gott, dessen du nun sein wirst“
Nun aber, am Lebensende,
soll meine sündhafte Seele ihre Torheit ablegen.

Wenigstens soll sie Gott mit ihrer Stimme preisen, wenn sie es mit Verdiensten nicht kann. Durch Lobgesänge soll sie Tage aneinanderreihen, und keine Nacht sei ihr vergönnt, ohne dass sie den Herrn besingt: Sie soll gegen Ketzereien kämpfen, den katholischen Glauben entfalten, Riten von Heiden niederstampfen,

soll deinen Götzenbildern, o Rom, den Untergang bringen,
den Märtyrern ein Lied weihen und die Aposteln lobpreisen.
O, dass ich doch, während ich dies schreibe oder ausspreche, frei von den Fesseln meines Körpers emporschnell', wohin mich meine Zunge mit ihrem letzten Ton getragen hat.




Hilfen zur Übersetzung


(27) nix capitis : metaphorisch, meint die weißen Haare.





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