Caesar - De Bello Gallico - liber primus - Kapitel 1-30 - Deutsche Übersetzung


Kapitel 1-30: Der Krieg mit den Helvetiern



[1] Geografie Galliens
[2] Orgetorix und die Helvetier
[3] Abkommen mit den Sequanern und Häduern
[4] Tod des Orgetorix
[5] Vorbereitungen zur Auswanderung
[6] Marschroute - die Allobroger
[7] Bitte um Caesars Einvernehmen
[8] Caesar lehnt ab
[9] Helvetier schalten Dumnorix ein
[13] Verhandlung mit Divico nach der ersten Schlacht
[14] Antwort Caesars - Scheitern der Verhandlungen
[15] Verfolgung der Helvetier
[16] Versorgungsprobleme
[17] Rede des Haeduers Liscus
[18] Dumnorix' Pakt mit den Helvetiern
[19] Caesar zieht Dumnorix' Bruder Diviciacus hinzu
[20] Rede des Diviciacus
[30] Nach dem Krieg



1. Geografie Galliens


[1] Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam, qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur. Hi omnes lingua, institutis, legibus inter se differunt. Gallos ab Aquitanis Garumna flumen, a Belgis Matrona et Sequana dividit. Horum omnium fortissimi sunt Belgae, propterea quod a cultu atque humanitate provinciae longissime absunt, minimeque ad eos mercatores saepe commeant atque ea quae ad effeminandos animos pertinent important, proximique sunt Germanis, qui trans Rhenum incolunt, quibuscum continenter bellum gerunt. Qua de causa Helvetii quoque reliquos Gallos virtute praecedunt, quod fere cotidianis proeliis cum Germanis contendunt, cum aut suis finibus eos prohibent aut ipsi in eorum finibus bellum gerunt. Eorum una pars, quam Gallos obtinere dictum est, initium capit a flumine Rhodano, continetur Garumna flumine, Oceano, finibus Belgarum, attingit etiam ab Sequanis et Helvetiis flumen Rhenum, vergit ad septentriones. Belgae ab extremis Galliae finibus oriuntur, pertinent ad inferiorem partem fluminis Rheni, spectant in septentrionem et orientem solem. Aquitania a Garumna flumine ad Pyrenaeos montes et eam partem Oceani, quae est ad Hispaniam, pertinet; spectat inter occasum solis et septentriones.


[1] Ganz Gallien ist in drei Teile geteilt: Den einen Teil bewohnen die Belgier, den anderen die Aquitanier, den dritten diejenigen, die in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier genannt werden. All diese unterscheiden sich untereinander in Sprache, Einrichtungen und Gesetzen. Die Garonne trennt die Gallier von den Aquitaniern, die Marne und Seine trennen sie von den Belgiern. Die tapfersten all dieser Völker sind die Belgier, und zwar deswegen, weil sie am weitesten von Lebensweise und Bildung der Provinz entfernt sind, keineswegs oft Händler zu ihnen kommen und Waren einführen, die eine Verweichlichung des Geistes herbeiführen, und weil sie den Germanen am nächsten sind, die jenseits des Rheines siedeln, und mit denen ununterbrochen Krieg führen. Aus diesem Grund übertreffen auch die Helvetier die übrigen Gallier an Tapferkeit, weil sie in fast täglichen Schlachten mit den Germanen kämpfen, wenn sie diese entweder von ihrem Gebiet fernhalten oder selbst Krieg in deren Gebiet führen. Ein Teil von diesen, den – wie gesagt – die Gallier innehaben, fängt bei der Rhone an, wird von der Garonne, dem Ozean, und dem Gebiet der Belger umschlossen, berührt bei den Sequaner und Helvetiern auch den Rhein und neigt sich nach Norden. Die Belgier nehmen bei den äußersten Grenzen Galliens ihren Anfang, erstrecken sich bis zum unteren Teil des Rheins und sind im Nordosten gelegen. Aquitanien erstreckt sich von der Garonne bis zu den Pyrenäen und dem Teil des Ozeans, der an Spanien grenzt; es liegt im Nordwesten.


2. Orgetorix und die Helvetier


[2] Apud Helvetios longe nobilissimus fuit et ditissimus Orgetorix. Is M. Messala P. M. Pisone consulibus regni cupiditate inductus coniurationem nobilitatis fecit et civitati persuasit, ut de finibus suis cum omnibus copiis exirent: perfacile esse, cum virtute omnibus praestarent, totius Galliae imperio potiri. Id hoc facilius iis persuasit, quod undique loci natura Helvetii continentur: una ex parte flumine Rheno latissimo atque altissimo, qui agrum Helvetium a Germanis dividit; altera ex parte monte Iura altissimo, qui est inter Sequanos et Helvetios; tertia lacu Lemanno et flumine Rhodano, qui provinciam nostram ab Helvetiis dividit. His rebus fiebat, ut et minus late vagarentur et minus facile finitimis bellum inferre possent; qua ex parte homines bellandi cupidi magno dolore adficiebantur. Pro multitudine autem hominum et pro gloria belli atque fortitudinis angustos se fines habere arbitrabantur, qui in longitudinem milia passuum CCXL, in latitudinem CLXXX patebant.


[2] Bei den Helvetiern war lange Zeit Orgetorix der angesehenste und reichste. Als Marcus Messala und Publius Marcus Piso Konsuln waren, brachte dieser aus Gier auf Alleinherrschaft eine Verschwörung des Adels zustande und überredete seine Bürgerschaft, mit allen Truppen ihr Gebiet zu verlassen: Weil sie alle an Tatkraft überträfen, sei es leicht, sich der Herrschaft über ganz Gallien zu bemächtigen. Er überredete sie dazu umso leichter, weil die Helvetier von allen seiten durch die Beschaffenheit des Geländes eingeengt werden: Auf der einen Seiten durch den sehr breiten und sehr tiefen Rhein, der das helvetische Land von den Germanen trennt; auf der anderen Seite durch das Juragebirge, das zwischen Sequanern und Helvetiern liegt; auf der dritten Seite durch den Genfer See und die Rhone, die unsere Provinz von den Helvetiern abtrennt. Dadurch kam es, dass die Helvetier einerseits weniger weitläufig umherschweiften, andererseits ihre Nachbarn weniger leicht bekriegen konnten; deshalb entstand bei diesen kriegshungrigen Menschen großer Unmut. Bemessen an der Größe ihres Volkes, ihrem Kriegsruhm und ihrer Tapferkeit hielten sie ihr Gebiet für zu klein, das sich 240 Meilen in die Länge und 280 Meilen in die Breite erstreckt.


3. Orgetorix' Abkommen mit den Sequanern und Häduern


[3] His rebus adducti et auctoritate Orgetorigis permoti constituerunt ea quae ad proficiscendum pertinerent comparare, iumentorum et carrorum quam maximum numerum coemere, sementes quam maximas facere, ut in itinere copia frumenti suppeteret, cum proximis civitatibus pacem et amicitiam confirmare. Ad eas res conficiendas biennium sibi satis esse duxerunt; in tertium annum profectionem lege confirmant. Ad eas res conficiendas Orgetorix deligitur. Is sibi legationem ad civitates suscipit. In eo itinere persuadet Castico, Catamantaloedis filio, Sequano, cuius pater regnum in Sequanis multos annos obtinuerat et a senatu populi Romani amicus appellatus erat, ut regnum in civitate sua occuparet, quod pater ante habuerit; itemque Dumnorigi Haeduo, fratri Diviciaci, qui eo tempore principatum in civitate obtinebat ac maxime plebi acceptus erat, ut idem conaretur persuadet eique filiam suam in matrimonium dat. Perfacile factu esse illis probat conata perficere, propterea quod ipse suae civitatis imperium obtenturus esset: non esse dubium, quin totius Galliae plurimum Helvetii possent; se suis copiis suoque exercitu illis regna conciliaturum confirmat. Hac oratione adducti inter se fidem et ius iurandum dant et regno occupato per tres potentissimos ac firmissimos populos totius Galliae sese potiri posse sperant.


[3] Durch diese Umstände veranlasst und durch das Ansehen des Orgetorix bewogen, beschlossen die Helvetier, das, was für den Abzug nötig war, zu beschaffen, eine möglichst große Zahl an Zugtieren und Wagen aufzutreiben, so viel wie möglich auszusäen, damit die Getreidemenge auf dem Marsch ausreichen würde, und mit den benachbarten Stämmen Frieden und Freundschaft zu festigen. Um dies zu erreichen, glaubten sie, würden ihnen zwei Jahre reichen; den Abzug legten sie per Gesetz ins dritte Jahr. Für die Erledigung dieser Angelegenheiten wurde Orgetorix bestimmt. Dieser übernahm in eigenem Interesse die Gesandtschaft zu den Stämmen. Auf diesem Weg überredete er Casticus, den Sohn des Catamantaloedes, einen Sequaner, dessen Vater bei den Sequanern viele Jahre lang die Alleinherrschaft innegehabt hatte und vom Senat des römischen Volkes Freund genannt worden war, die Herrschaft in seinem Stamm an sich zu reißen, weil sein Vater sie früher innegehabt habe; ebenso überredete er den Häduer Dumnorix, den Bruder des Diviciacus, der zu dieser Zeit die höchste Stellung in seinem Stamm innehatte und beim Pöbel sehr beliebt war, dasselbe zu versuchen, und gab ihm seine Tochter zur Ehe. Er versicherte, es sei deswegen leicht, die Pläne umsetzen, weil er selbst die Herrschaft über seinen Stamm einnehmen werde: es bestünde keine Zweifel, dass die Helvetier die mächtigsten ganz Galliens seien. Er werde jenen mit seinen Mitteln und seinem Heer die Alleinherrschaft verschaffen, garantierte er. Durch diese Rede bewogen, schworen sie sich untereinander Treue und hofften – nach der Erlangung der Alleinherrschaft innerhalb ihrer Stämme – durch die Kraft der drei mächtigsten und stärksten Völker ganz Gallien in ihre Gewalt bringen zu können.


4. Tod des Orgetorix


[4] Ea res est Helvetiis per indicium enuntiata. Moribus suis Orgetoricem ex vinculis causam dicere coegerunt; damnatum poenam sequi oportebat, ut igni cremaretur. Die constituta causae dictionis Orgetorix ad iudicium omnem suam familiam, ad hominum milia decem, undique coegit, et omnes clientes obaeratosque suos, quorum magnum numerum habebat, eodem conduxit; per eos, ne causam diceret, se eripuit. Cum civitas ob eam rem incitata armis ius suum exequi conaretur multitudinemque hominum ex agris magistratus cogerent, Orgetorix mortuus est; neque abest suspicio, ut Helvetii arbitrantur, quin ipse sibi mortem consciverit.



[4] Die Sache wurde den Helvetiern verraten. Gemäß ihrer Sitten zwangen sie Orgetorix, sich gefesselt zu verantworten; im Falle einer Verurteilung hätte er zur Strafe im Feuer verbrannt werden müssen. Am festgesetzten Verhandlungstermin versammelten Orgetorix von allen Seiten her sein ganzes Gesinde vor dem Gericht, ungefähr 10.000 Menschen, und führte seine Klienten und Schuldner, von denen er eine große Zahl hatte, ebendorthin; durch diesen Auflauf entzog er sich der Verantwortung. Als die deswegen aufgebrachte Bürgerschaft versuchte, ihr Recht geltend zu machen und die obrigkeitlichen Behörden eine Masse von Menschen vom Lande her zusammenzog, starb Orgetorix; und der Verdacht lag nicht fern, dass er den Freitod wählte, wie auch die Helvetier meinen.


5. Vorbereitungen zur Auswanderung


[5] Post eius mortem nihilo minus Helvetii id, quod constituerant, facere conantur, ut e finibus suis exeant. Ubi iam se ad eam rem paratos esse arbitrati sunt, oppida sua omnia, numero ad duodecim, vicos ad quadringentos, reliqua privata aedificia incendunt; frumentum omne, praeter quod secum portaturi erant, comburunt, ut domum reditionis spe sublata paratiores ad omnia pericula subeunda essent; trium mensum molita cibaria sibi quemque domo efferre iubent. Persuadent Rauracis et Tulingis et Latobrigis finitimis, uti eodem usi consilio oppidis suis vicisque exustis una cum iis proficiscantur, Boiosque, qui trans Rhenum incoluerant et in agrum Noricum transierant Noreiamque oppugnabant, receptos ad se socios sibi adsciscunt.



[5] Nach dessen Tod versuchten die Helvetier nichtsdestoweniger das zu tun, was sie beschlossen hatten, nämlich aus ihren Gebiet auszuwandern. Sobald sie glaubten, für ihren Plan gerüstet zu sein, zündeten sie all ihre Städte, etwa zwölf an der Zahl, ungefähr vierhundert Dörfer und ihre übrigen privaten Gebäude an; alles Getreide, außer das, was sie im Begriffe waren, mit sich zu tragen, verbrannten sie, um durch die Vernichtung der Hoffnung auf Heimkehr noch entschlossener zu sein, alle Gefahren auf sich zu nehmen; man befahl, jeder solle einen Mehlvorrat für drei Monate aus seinem Haus für sich mitnehmen. Sie überredeten die Rauraker, Tulinger und Latobriger, denselben Entschluss zu fassen, ihre Städte und Dörfer zu verbrennen und dann zusammen mit ihnen auszuziehen, und nahmen die Boier, die jenseits des Rheines gesiedelt hatten, ins norische Land übergegangen waren und ständig Noreia angegriffen hatten, zu sich auf und machten sie sich zum Verbündeten.


6. Marschroute - die Allobroger


[6] Erant omnino itinera duo, quibus itineribus domo exire possent: unum per Sequanos, angustum et difficile, inter montem Iuram et flumen Rhodanum, vix qua singuli carri ducerentur, mons autem altissimus impendebat, ut facile perpauci prohibere possent; alterum per provinciam nostram, multo facilius atque expeditius, propterea quod inter fines Helvetiorum et Allobrogum, qui nuper pacati erant, Rhodanus fluit isque non nullis locis vado transitur. Extremum oppidum Allobrogum est proximumque Helvetiorum finibus Genava. Ex eo oppido pons ad Helvetios pertinet. Allobrogibus sese vel persuasuros, quod nondum bono animo in populum Romanum viderentur, existimabant vel vi coacturos, ut per suos fines eos ire paterentur. Omnibus rebus ad profectionem comparatis diem dicunt, qua die ad ripam Rhodani omnes conveniant. Is dies erat a. d. V. Kal. Apr. L. Pisone, A. Gabinio consulibus.



[6] Es gab nur zwei Wege, auf welchen sie ihre Heimat verlassen konnten: Der eine ging durch das Gebiet der Sequaner, eng und schwer zu passieren, zwischen dem Iuragebirge und der Rhone, wo kaum einzelne Wagen gezogen werden konnten, wo ein riesiges Gebirge über dem Haupt schwebte, sodass ein paar wenige Leute leicht dazu imstande waren, den Durchgang zu verwehren; der andere führte durch unsere Provinz, deswegen viel bequemer und gangbarer, weil zwischen dem Gebiet der Helvetier und Allobroger, die kürzlich befriedet worden waren, die Rhone fließt und dieser an keinen Stellen von einer Untiefe durchquert wird. Die äußerste Stadt der Allobroger ist Genf und dem Gebiet der Helvetier am nächsten. Von dieser Stadt geht eine Brücke zu den Helvetiern. Sie glaubten, sie würden die Allobroger entweder überreden, weil sie noch nicht den Eindruck machten, von guter Gesinnung gegen das römische Volk zu sein, oder mit Gewalt dazu zwingen, sie durch ihr Gebiet ziehen zu lassen. Nachdem sie alle Sachen für den Auszug beschafft hatten, nannten sie den Tag, an welchem sich alle am Rheinufer versammeln sollten. Dieser Tag war der 28. März, im Jahre des Konsulats von Lucius Piso und Aulus Gabinius (58 v. Chr.).


7. Bitte um Caesars Einvernehmen


[7] Caesari cum id nuntiatum esset eos per provinciam nostram iter facere conari, maturat ab urbe proficisci et quam maximis potest itineribus in Galliam ulteriorem contendit et ad Genavam pervenit. Provinciae toti quam maximum potest militum numerum imperat (erat omnino in Gallia ulteriore legio una), pontem, qui erat ad Genavam, iubet rescindi. Ubi de eius adventu Helvetii certiores facti sunt, legatos ad eum mittunt nobilissimos civitatis, cuius legationis Nammeius et Verucloetius principem locum obtinebant, qui dicerent sibi esse in animo sine ullo maleficio iter per provinciam facere, propterea quod aliud iter haberent nullum: rogare, ut eius voluntate id sibi facere liceat. Caesar, quod memoria tenebat L. Cassium consulem occisum exercitumque eius ab Helvetiis pulsum et sub iugum missum, concedendum non putabat; neque homines inimico animo, data facultate per provinciam itineris faciundi, temperaturos ab iniuria et maleficio existimabat. Tamen, ut spatium intercedere posset dum milites, quos imperaverat, convenirent, legatis respondit diem se ad deliberandum sumpturum: si quid vellent, ad Id. April. reverterentur.



[7] Nachdem man Caesar darüber Meldung erstattet hatte, dass diese versuchen, durch unsere Provinz zu marschieren, brach er schleunigst von Rom auf und eilte so schnell er nur konnte nach Gallien und kam bei Genf an. Der ganzen Provinz ordnete er an, die größtmögliche Anzahl an Soldaten zu stellen (im jenseitigeren Gallien befand sich nur eine einzige Legion) und befahl den Abriss derjenigen Brücke, die bei Genf war. Sobald die Helvetier über dessen Ankunft benachrichtigt worden waren, sandten sie die vornehmsten Legaten ihres Volkes zu Caesar. Den ersten Rang dieser Gesandtschaft nahmen Nammeius und Verucloetius ein, die sagen sollten, dass es ihr Plan sei, ohne irgendeine Übeltat durch die Provinz zu marschieren, deswegen weil sie keinen anderen Weg hätten: Sie baten Caesar, dies mit dessen Einwilligung tun zu dürfen. Weil Caesar sich daran erinnerte, dass der Konsul Lucius Cassius getötet, sein Heer von den Helvetiern geschlagen und unters Joch geschickt worden war, war er der Meinung, dass man dies nicht zulassen dürfe; und er glaubte nicht, dass Menschen von feindlicher Gesinnung – nach dem Eröffnen der Möglichkeit, den Weg durch die Provinz zu bahnen – sich von Unrecht und Übeltat enthalten würden. Doch um Zeit zu schinden, bis die Soldaten, die er befehligt hatte, zusammenkämen, antwortete er den Legaten, dass er einen Tag Bedenkzeit nehmen werde: wenn sie etwas wollten, sollen sie an den Iden des April zurückkehren.


8. Caesar lehnt das Gesuch der Helvetier ab


[8] Interea ea legio, quam secum habebat, militibusque, qui ex provincia convenerant, a lacu Lemanno, qui in flumen Rhodanum influit, ad montem Iuram, qui fines Sequanorum ab Helvetiis dividit, milia passuum XVIIII murum in altitudinem pedum sedecim fossamque perducit. Eo opere perfecto praesidia disponit, castella communit, quo facilius, si se invito transire conentur, prohibere possit. Ubi ea dies, quam constituerat cum legatis, venit et legati ad eum reverterunt, negat se more et exemplo populi Romani posse iter ulli per provinciam dare et, si vim facere conentur, prohibiturum ostendit. Helvetii ea spe deiecti navibus iunctis ratibusque compluribus factis, alii vadis Rhodani, qua minima altitudo fluminis erat, non numquam interdiu, saepius noctu, si perrumpere possent, conati, operis munitione et militum concursu et telis repulsi, hoc conatu destiterunt.



[8] Unterdessen führte Caesar mithilfe derjenigen Legion, die er bei sich hatte, und den Soldaten, die aus der Provinz zusammengekommen waren, eine 19 Meilen lange und 16 Fuß hohe Mauer sowie einen Graben vom Genfer See, der in die Rhone fließt, bis zum Iuragebirge, welches das Gebiet der Sequaner von den Helvetiern trennt. Nach Vollendung dieser Arbeit stellte er Wachposten auf und verschanzte die Kastelle, damit er umso leichter Feinde abwehren könnte, falls diese versuchten sollten gegen seinen Willen hinüber zu marschieren. Sobald der Tag, den er mit den Legaten abgemacht hatte, gekommen war und die Legaten zu diesem zurückgekehrt waren, sagte er, dass er gemäß der Sitte und des Verfahrens des römischen Volkes niemandem gestatten könne, durch ihre Provinz zu marschieren, und erklärte, dass er es verhindern werde, falls sie versuchen sollten, Gewalt anzuwenden. Ihrer Hoffnung beraubt, versuchte die einer der Helvetier mittels zusammengefügter Schiffe und einigen gebauten Floßen, die anderen an seichten Stellen der Rhone, wo die Tiefe des Flusses minimal war, manchmal bei Tage, öfters bei Nacht, durchbrechen zu können. Weil sie durch die Befestigungswerke, den Auflauf der Soldaten und Geschosse zurückgedrängt worden waren, ließen sie vom Versuch ab.


9. Helvetier schalten Dumnorix als Vermittler ein


[9] Relinquebatur una per Sequanos via, qua Sequanis invitis propter angustias ire non poterant. His cum sua sponte persuadere non possent, legatos ad Dumnorigem Haeduum mittunt, ut eo deprecatore a Sequanis impetrarent. Dumnorix gratia et largitione apud Sequanos plurimum poterat et Helvetiis erat amicus, quod ex ea civitate Orgetorigis filiam in matrimonium duxerat, et cupiditate regni adductus novis rebus studebat et quam plurimas civitates suo beneficio habere obstrictas volebat. Itaque rem suscipit et a Sequanis impetrat, ut per fines suos Helvetios ire patiantur, obsidesque uti inter sese dent perficit: Sequani, ne itinere Helvetios prohibeant, Helvetii, ut sine maleficio et iniuria transeant.



[9] Ein einziger Weg durch das Gebiet der Sequaner blieb übrig. Über diesen konnten sie, sofern die Sequaner nicht einwilligten, wegen der Engpässe nicht marschieren. Weil sie diese aus eigener Kraft nicht überreden konnten, schickten sie Legaten zum Häduer Dumnorix, um mit diesem als Fürsprecher die Erlaubnis von den Sequanern zu erhalten. Dumnorix hatte bei den Sequanern aufgrund seiner Gunst und seiner Freigebigkeit sehr viel Einfluss und war mit den Helvetiern befreundet, da er aus diesem Stamm die Tochter des Orgetorix geheiratet hatte, und trachtete aus Herrschsucht nach Umsturz und wollte möglichst viele Stämme durch seine Gunstbezeigung an sich binden. Und so nahm er sich der Sache an und erwirkte von den Sequanern, dass sie die Helvetier durch ihr Gebiet ziehen ließen, und setzte durch, dass sie untereinander Geiseln stellten: Die Sequaner, damit sie die Helvetier nicht am Marsch hinderten, die Helvetier, damit sie ohne Übeltat und Unrecht hindurchgingen.


13. Verhandlung mit Divico nach der ersten Schlacht


[13] Hoc proelio facto, reliquas copias Helvetiorum ut consequi posset, pontem in Arari faciendum curat atque ita exercitum traducit. Helvetii repentino eius adventu commoti cum id quod ipsi diebus XX aegerrime confecerant, ut flumen transirent, illum uno die fecisse intellegerent, legatos ad eum mittunt; cuius legationis Divico princeps fuit, qui bello Cassiano dux Helvetiorum fuerat. Is ita cum Caesare egit: si pacem populus Romanus cum Helvetiis faceret, in eam partem ituros atque ibi futuros Helvetios, ubi eos Caesar constituisset atque esse voluisset; sin bello persequi perseveraret, reminisceretur et veteris incommodi populi Romani et pristinae virtutis Helvetiorum. Quod improviso unum pagum adortus esset, cum ii, qui flumen transissent, suis auxilium ferre non possent, ne ob eam rem aut suae magnopere virtuti tribueret aut ipsos despiceret. Se ita a patribus maioribusque suis didicisse, ut magis virtute contenderent quam dolo aut insidiis niterentur. Quare ne committeret, ut is locus, ubi constitissent, ex calamitate populi Romani et internecione exercitus nomen caperet aut memoriam proderet.


[13] Nachdem die Schlacht geschlagen worden war, sorgte Caesar für den Bau einer Brücke in den Arar, um die übrigen Truppen der Helvetier verfolgen zu können, und führte so sein Heer hinüber. Von seiner plötzlichen Ankunft aufgebracht, schickten die Helvetier Gesandte zu ihm, da sie einsahen, dass jener das, was sie selbst innerhalb von zwanzig Tagen schwerlichst vollbracht hatten, um den Fluss zu überqueren, an einem Tag gemacht hatte; der Vornehmste dieser Gesandtschaft war Divico, der im Cassianischen Krieg Führer der Helvetier gewesen war. Dieser verhandelte folgendermaßen mit Caesar: Wenn das römische Volk mit den Helvetiern Frieden schlösse, würden sie in denjenigen Teil gehen und dort bleiben, wo Caesar sie hinsetze und haben wolle; wenn er sie weiterhin mit Krieg heimsuche, solle er sich sowohl der alten Niederlage des römischen Volkes als auch der früheren Tapferkeit der Helvetier erinnern. Was das betrifft, dass er unvermutet ein Dorf angegriffen habe, als diejenigen, die den Fluss überschritten hätten, den Ihrigen nicht mehr hätten helfen können, so solle er deswegen weder zu sehr auf seine Tapferkeit pochen noch die Helvetier selbst geringschätzen. Sie seien es von ihren Vätern und Vorvätern so gewohnt, mehr mit Tapferkeit zu kämpfen als sich auf List und Heimtücke zu verlassen. Darum solle er es nicht dahin kommen lassen, dass derjenige Ort, wo sie sich niedergelassen hätten, wegen einer Niederlage des römischen Volkes und der völligen Vernichtung seines Heeres einen Namen erhalte oder in die Geschichte eingehe.


14. Antwort Caesars - Scheitern der Verhandlungen


[14] His Caesar ita respondit: eo sibi minus dubitationis dari, quod eas res, quas legati Helvetii commemorassent, memoria teneret, atque eo gravius ferre quo minus merito populi Romani accidissent; qui si alicuius iniuriae sibi conscius fuisset, non fuisse difficile cavere; sed eo deceptum, quod neque commissum a se intellegeret, quare timeret, neque sine causa timendum putaret. Quod si veteris contumeliae oblivisci vellet, num etiam recentium iniuriarum, quod eo invito iter per provinciam per vim temptassent, quod Haeduos, quod Ambarros, quod Allobrogas vexassent, memoriam deponere posse? Quod sua victoria tam insolenter gloriarentur quodque tam diu se impune iniurias tulisse admirarentur, eodem pertinere. Consuesse enim deos immortales, quo gravius homines ex commutatione rerum doleant, quos pro scelere eorum ulcisci velint, his secundiores interdum res et diuturniorem impunitatem concedere. Cum ea ita sint, tamen, si obsides ab iis sibi dentur, uti ea quae polliceantur facturos intellegat, et si Haeduis de iniuriis quas ipsis sociisque eorum intulerint, item si Allobrogibus satis faciunt, sese cum iis pacem esse facturum.

Divico respondit: ita Helvetios a maioribus suis institutos esse uti obsides accipere, non dare, consuerint; eius rei populum Romanum esse testem. Hoc responso dato discessit.


[14] Darauf antwortete Caesar folgendermaßen: Ihm sei deswegen weniger an Zweifel gegeben, weil er diejenigen Dinge, die die helvetischen Gesandten erwähnt hätten, wisse, und er ertrüge es umso schwerer, je weniger es sich durch das Verschulden des römischen Volkes ereignet habe; wenn dieses sich irgendeines Unrechts bewusst gewesen wäre, wäre es leicht gewesen, sich zu vorzusehen; aber eben dadurch sei es geblendet worden, dass es weder eingesehen habe, irgendetwas begangen zu haben, weshalb es sich hätte fürchten sollen, noch geglaubt habe, sich grundlos fürchten zu müssen. Wenn er nun die alte Schmach vergessen wolle, könne er dann etwa auch die Erinnerung an die neuen Unrechte tilgen, dass sie gegen seinen Willen gewaltsam durch die Provinz marschiert wären, dass sie die Häduer, Ambarrer und Allobroger misshandelt hätten? Dass sie sich mit ihrem Sieg derart über Gebühr rühmen und darüber staunen würden, dass sie solange ungestraft Unrecht zugefügt hätten, beziehe sich auf dasselbe. Die unsterblichen Götter seien es nämlich gewöhnt, zuweilen denjenigen Menschen größeres Glück und längere Ungestraftheit zuzugestehen, die sie für ihre Verbrechen ahnden wollten, damit die Menschen über einen Wechsel der Umstände desto massiver Schmerz empfänden. Obgleich die Dinge so seien, werde er dennoch Frieden mit ihnen schließen, wenn ihm Geiseln von ihnen gestellt würden, um zu ersehen, dass sie ihre Versprechen einhalten würden, und wenn sie den Häduern ebenso wie den Allobrogern wegen der Unrechte, die sie ihnen selbst und ihren Bundesgenossen angetan hätten, Genugtuung leisten würden.


Divico antwortete: Die Helvetier seien von ihren Vorfahren so unterwiesen worden, dass sie gewöhnlich Geiseln annähmen, nicht stellten; dessen sei das römische Volk Zeuge. Nach dieser Antwort ging er fort.


15. Verfolgung der Helvetier


[15] Postero die castra ex eo loco movent. Idem facit Caesar equitatumque omnem, ad numerum quattuor milium, quem ex omni provincia et Haeduis atque eorum sociis coactum habebat, praemittit, qui videant, quas in partes hostes iter faciant. Qui cupidius novissimum agmen insecuti alieno loco cum equitatu Helvetiorum proelium committunt et pauci de nostris cadunt. Quo proelio sublati Helvetii, quod quingentis equitibus tantam multitudinem equitum propulerant, audacius subsistere non numquam et novissimo agmine proelio nostros lacessere coeperunt. Caesar suos a proelio continebat, ac satis habebat in praesentia hostem rapinis, pabulationibus populationibusque prohibere. Ita dies circiter XV iter fecerunt, uti inter novissimum hostium agmen et nostrum primum non amplius quinis aut senis milibus passuum interesset.


[15] Am folgenden Tag marschierten sie ab. Dasselbe tat Caesar und schickte die gesamte Reiterei, an der Zahl etwa 4.000, die er aus der ganzen Provinz und den Häduern und deren Bundesgenossen zusammengezogen hatte, voraus, damit sie sahen, in welche Gegend der Feind marschierte. Weil diese die Nachhut zu hitzig verfolgt hatte, gingen sie an einer ungünstigen Stelle einen Kampf mit der Reiterei der Helvetier ein und einige von unseren Männern fielen. Durch diesen Kampf übermütig, weil sie eine so große Menge an Reitern mit nur 500 eigenen Reitern in die Flucht gejagt hatten, begannen die Helvetier, bisweilen kühner Halt zu machen und mit ihrer Nachhut unsere Männer zum Kampf herauszufordern. Caesar hielt die Seinigen vom Kampf ab, und hielt es für den Augenblick für hinreichend, den Feind an Raubzügen, Nahrungsbeschaffung und Verheerungen zu hindern. Sie marschierten ungefähr 15 Tage in der Art, dass zwischen der Nachhut der Feinde und unserer Vorhut nicht mehr als fünf- oder sechstausend Schritt lagen.


16. Versorgungsprobleme


[16] Interim cotidie Caesar Haeduos frumentum, quod essent publice polliciti, flagitare. Nam propter frigora [quod Gallia sub septentrionibus, ut ante dictum est, posita est,] non modo frumenta in agris matura non erant, sed ne pabuli quidem satis magna copia suppetebat; eo autem frumento, quod flumine Arari navibus subvexerat, propterea uti minus poterat, quod iter ab Arari Helvetii averterant, a quibus discedere nolebat. Diem ex die ducere Haedui: conferri, comportari, adesse dicere. Ubi se diutius duci intellexit et diem instare, quo die frumentum militibus metiri oporteret, convocatis eorum principibus, quorum magnam copiam in castris habebat, in his Diviciaco et Lisco, qui summo magistratui praeerat, quem vergobretum appellant Haedui, qui creatur annuus et vitae necisque in suos habet potestatem, graviter eos accusat, quod, cum neque emi neque ex agris sumi possit, tam necessario tempore, tam propinquis hostibus ab iis non sublevetur, praesertim cum magna ex parte eorum precibus adductus bellum susceperit; multo etiam gravius, quod sit destitutus, queritur.


[16] Unterdessen forderte Caesar täglich von den Häduern Getreide, was sie öffentlich versprochen hatten. Denn wegen der Kälte - weil Gallien im Norden liegt, wie zuvor gesagt – war nicht nur das Getreide auf den Feldern noch nicht reif, sondern nicht einmal eine hinlänglich große Menge an Tierfutter war verfügbar; dasjenige Getreide aber, was er über den Fluss Arar hinaufgeführt hatte, konnte er deswegen weniger nutzen, weil die Helvetier, von denen er nicht weichen wollte, vom Arar abgekehrt waren. Die Häduer hielten ihn von Tag zu Tag hin: sie sagten, das Getreide werde zusammengetragen, eingeliefert und sei da. Sobald er bemerkte, dass er zu lange hingehalten wurde und der Tag bevorstand, an dem das Getreide seinen Soldaten zugeteilt werden musste, klagte er – nach Einberufung der ersten Männer derjenigen, von denen er einen großen Teil im Lager hatte, unter ihnen Diviciacus und Liscus, die das höchste Amt innehatten, das die Häduer Vergobret nennen, jährlich gewählt wird und gegen die Ihrigen Macht über Leben und Tod hat – diese schwer an, dass er von ihnen in einer so dringenden Zeit, da Getreide weder von den Feldern eingeholt noch gekauft werden könne, bei so nahen Feinden nicht unterstützt werde, zumal weil er, zu einem großen Teil durch ihre Bitten veranlasst, den Krieg auf sich genommen habe; um vieles schwerer beklagte er, dass er im Stich gelassen worden sei.


17. Rede des Haeduers Liscus


[17] Tum demum Liscus oratione Caesaris adductus, quod antea tacuerat, proponit: esse non nullos, quorum auctoritas apud plebem plurimum valeat, qui privatim plus possint quam ipsi magistratus. Hos seditiosa atque improba oratione multitudinem deterrere, ne frumentum conferant quod debeant: praestare, si iam principatum Galliae obtinere non possint, Gallorum quam Romanorum imperia perferre, neque dubitare [debeant], quin, si Helvetios superaverint Romani, una cum reliqua Gallia Haeduis libertatem sint erepturi. Ab isdem nostra consilia quaeque in castris gerantur hostibus enuntiari; hos a se coerceri non posse. Quin etiam, quod necessario rem coactus Caesari enuntiarit, intellegere sese, quanto id cum periculo fecerit, et ob eam causam, quam diu potuerit, tacuisse.


[17] Dann erst, durch die Rede Caesars veranlasst, brachte Liscus vor, was er zuvor verschwiegen hatte: Es gebe manche, deren Einfluss beim Volk sehr viel vermöge, die privat mehr ausrichten können als selbst die Magistrate. Diese würden die Menge durch aufrührerische und schurkische Rede davon abschrecken, das Getreide zu entrichten, was sie entrichten müssten: es sei besser, - wenn sie schon die Führung Galliens nicht innehaben könnten - Befehle von Galliern als von Römern auszuführen und sie würden nicht daran zweifeln, dass die Römer, wenn sie die Helvetier besiegt hätten, den Häduern zusammen mit dem übrigen Gallien die Freiheit rauben würden. Von denselben würden unsere Pläne und was im Lager vor sich gehe den Feinden verraten; diese könnten von ihm (Liscus) nicht gezügelt werden. Ja er wisse sogar, unter welch großer Gefahr er dies gemacht habe, nämlich dass er, wenngleich notgedrungen, die Sache Caesar gemeldet habe; und deshalb habe er solange wie möglich geschwiegen.


18. Dumnorix' Pakt mit den Helvetiern


[18] Caesar hac oratione Lisci Dumnorigem, Diviciaci fratrem, designari sentiebat, sed, quod pluribus praesentibus eas res iactari nolebat, celeriter concilium dimittit, Liscum retinet. Quaerit ex solo ea quae in conventu dixerat. Dicit liberius atque audacius. Eadem secreto ab aliis quaerit;


reperit esse vera: ipsum esse Dumnorigem, summa audacia, magna apud plebem propter liberalitatem gratia, cupidum rerum novarum. Complures annos portoria reliquaque omnia Haeduorum vectigalia parvo pretio redempta habere, propterea quod illo licente contra liceri audeat nemo. His rebus et suam rem familiarem auxisse et facultates ad largiendum magnas comparasse; magnum numerum equitatus suo sumptu semper alere et circum se habere, neque solum domi, sed etiam apud finitimas civitates largiter posse, atque huius potentiae causa matrem in Biturigibus homini illic nobilissimo ac potentissimo conlocasse; ipsum ex Helvetiis uxorem habere, sororem ex matre et propinquas suas nuptum in alias civitates conlocasse. Favere et cupere Helvetiis propter eam adfinitatem, odisse etiam suo nomine Caesarem et Romanos, quod eorum adventu potentia eius deminuta et Diviciacus frater in antiquum locum gratiae atque honoris sit restitutus. Si quid accidat Romanis, summam in spem per Helvetios regni obtinendi venire; imperio populi Romani non modo de regno, sed etiam de ea quam habeat gratia desperare. Reperiebat etiam in quaerendo Caesar, quod proelium equestre adversum paucis ante diebus esset factum, initium eius fugae factum a Dumnorige atque eius equitibus (nam equitatui, quem auxilio Caesari Haedui miserant, Dumnorix praeerat); eorum fuga reliquum esse equitatum perterritum.


[18] Caesar wusste, dass mit dieser Rede des Liscus auf Dumnorix, den Bruder des Diviciacus, hingedeutet wurde, doch entließ er, weil er nicht wollte, dass diese Sachen in Anwesenheit mehrerer Leute erörtert würden, die Versammlung schnell, hielt Liscus zurück. Er befragte ihn allein zu dem, was er in der Zusammenkunft gesagt hatte. Liscus sprach freier und mutiger. Dieselben Dinge suchte Caesar auch von Anderen unter vier Augen zu erfahren;

Er fand heraus, dass sie wahr sind: Dumnorix selbst - ein Mann von höchster Verwegenheit und großer Beliebtheit beim Volk wegen seiner Freigebigkeit - begehre einen Umsturz. Mehrere Jahre lang habe er die Zölle und alle übrigen Abgaben für einen geringen Betrag in Pacht genommen, deswegen weil niemand gewagt habe mitzubieten, wenn jener geboten habe. Er habe dadurch sowohl sein Vermögen vergrößert als auch reiche Mittel zum Schenken beschafft; eine große Zahl der Reiterei erhalte er stets auf seine eigenen Kosten und habe sie immer um sich, und nicht nur in der Heimat, sondern auch bei benachbarten Stämmen sei seine Macht groß, und um dieser Macht willen habe er seine Mutter bei den Biturigern mit dem dort edelsten und mächtigsten Manne verheiratet; er selbst habe ein Frau von den Helvetiern, seine Schwester mütterlicherseits und seine Verwandten habe er in andere Stämme verheiratet. Wegen dieser Verwandtschaft sei er den Helvetiern günstig und zugetan, hasse Caesar und die Römer auch aus persönlichen Gründen, weil seine Macht durch deren Ankunft gemindert und sein Bruder Diviciacus wieder in seinen früheren Stand von Einfluss und Ehre eingesetzt worden sei. Wenn den Römern irgendetwas widerfahre, komme er in die höchste Hoffnung, vermittelst der Helvetier die Alleinherrschaft zu erlangen; unter der Herrschaft des römischen Volkes zweifle er nicht nur an der Alleinherrschaft, sondern auch an seiner Macht, die er habe. Beim Befragen fand Caesar auch heraus, dass – was die unglückliche Reiterschlacht vor wenigen Tagen betrifft – der Anfang dieser Flucht von Dumnorix und seinen Reitern ausgegangen sei (denn Dumnorix kommandierte die Reiterei, die die Haeduer Caesar zur Hilfe geschickt hatten); durch deren Flucht sei die übrige Reiterei gewaltig erschreckt worden.


19. Caesar zieht Dumnorix' Bruder Diviciacus hinzu


[19] Quibus rebus cognitis, cum ad has suspiciones certissimae res accederent, quod per fines Sequanorum Helvetios traduxisset, quod obsides inter eos dandos curasset, quod ea omnia non modo iniussu suo et civitatis, sed etiam inscientibus ipsis fecisset, quod a magistratu Haeduorum accusaretur, satis esse causae arbitrabatur, quare in eum aut ipse animadverteret aut civitatem animadvertere iuberet. His omnibus rebus unum repugnabat, quod Diviciaci fratris summum in populum Romanum studium, summum in se voluntatem, egregiam fidem, iustitiam, temperantiam cognoverat; nam, ne eius supplicio Diviciaci animum offenderet, verebatur. Itaque, priusquam quicquam conaretur, Diviciacum ad se vocari iubet et, cotidianis interpretibus remotis, per C. Valerium Troucillum, principem Galliae provinciae, familiarem suum, cui summam omnium rerum fidem habebat, cum eo conloquitur; simul commonefacit, quae ipso praesente in concilio [Gallorum] de Dumnorige sint dicta, et ostendit, quae separatim quisque de eo apud se dixerit. Petit atque hortatur, ut sine eius offensione animi vel ipse de eo causa cognita statuat vel civitatem statuere iubeat.

[19] Nachdem diese Dinge in Erfahrung gebracht worden sind, glaubte Caesar – weil zu diesen Verdächtigungen noch sehr sichere Fakten hinzukamen, nämlich dass er die Helvetier durch das Gebiet der Sequaner geführt habe, dass er untereinander habe Geiseln stellen lassen, dass er all diese Dinge nicht nur ohne seinen und des Stammes Befehl, sondern auch ohne ihr Wissen getan habe, dass er von der Obrigkeit der Häduer angeklagt werde – es gebe Grund genug, entweder selbst gegen ihn vorzugehen oder dies dem Stamme zu befehlen. All diesen Dinge stand allerdings eine Sache entgegen, nämlich dass Caesar seines Bruders Diviciacus äußerste Ergebenheit gegenüber dem römischen Volk, seine äußerste Zuneigung gegen ihn, seine außerordentliche Treue, Gerechtigkeit und Mäßigung kennenlernte; er fürchtete nämlich, die Seele des Diviciacus durch dessen Hinrichtung zu kränken. Deshalb befahl er, bevor er irgendetwas versuchte, dass Diviciacus zu ihm gerufen werde, und unterhielt sich, nachdem die gewöhnlichen Dolmetscher entfernt worden waren, über Gaius Valerius Troucillus, ein Fürst der Provinz „Gallien“, ein enger Vertrauter, dem er vollsten Vertrauen in allen Dingen schenkte, mit ihm; zugleich gab er ihm zu bedenken, was in seiner Anwesenheit im der Versammlung der Gallier über Dumnorix gesagt worden sei, und legte dar, was jeder einzelne - abgesondert - bei ihm über diesen gesagt habe. Er verlangte dringend von ihm, dass er ohne seine Seelenkränkung nach Untersuchung des Falles entweder selbst über Dumnorix bestimmen dürfe oder dem Stamm befehlen dürfe, über ihn zu bestimmen.


20. Rede des Diviciacus


[20] Diviciacus multis cum lacrimis Caesarem complexus obsecrare coepit, ne quid gravius in fratrem statueret: scire se illa esse vera, nec quemquam ex eo plus quam se doloris capere, propterea quod, cum ipse gratia plurimum domi atque in reliqua Gallia, ille minimum propter adulescentiam posset, per se crevisset; quibus opibus ac nervis non solum ad minuendam gratiam, sed paene ad perniciem suam uteretur. Sese tamen et amore fraterno et existimatione vulgi commoveri. Quod si quid ei a Caesare gravius accidisset, cum ipse eum locum amicitiae apud eum teneret, neminem existimaturum non sua voluntate factum; qua ex re futurum, uti totius Galliae animi a se averterentur. Haec cum pluribus verbis flens a Caesare peteret, Caesar eius dextram prendit; consolatus rogat finem orandi faciat; tanti eius apud se gratiam esse ostendit, uti et rei publicae iniuriam et suum dolorem eius voluntati ac precibus condonet. Dumnorigem ad se vocat, fratrem adhibet; quae in eo reprehendat, ostendit; quae ipse intellegat, quae civitas queratur, proponit; monet, ut in reliquum tempus omnes suspiciones vitet; praeterita se Diviciaco fratri condonare dicit. Dumnorigi custodes ponit, ut, quae agat, quibuscum loquatur, scire possit.


[20] Caesar unter vielen Tränen umarmend, begann Diviciacus ihn anzuflehen, nicht irgendetwas schwerwiegendes gegen seinen Bruder zu beschließen: er wisse, dass jene Dinge wahr seien, und niemand empfinde deswegen mehr an Schmerz als er, deswegen weil - da er selbst sehr viel Einfluss in der Heimat und im übrigen Gallien hatte, jener aber wegen seines Jünglingsalters äußerst wenig - sein Bruder erst durch ihn politisch aufgestiegen sei. Diese Macht und Stärke habe er nicht nur genutzt, um sein Ansehen zu mindern, sondern beinahe auch zu seinem Verderben. Er werde jedoch sowohl von brüderlicher Liebe als auch von der Meinung des Volkes bewegt. Wenn ihm nun irgendetwas schwerwiegenderes seitens Caesar widerfahre, werde niemand glauben, dass dies nicht nach seinem Willen geschehen sei, da er selbst diese Stellung der Freundschaft bei ihm [Caesar] besitze: infolgedessen würden sich die Herzen ganz Galliens von ihm abwenden. Als er Caesar weinend mit vielen Worten um dies bat, griff Caesar dessen rechte Hand; nachdem er ihn getröstet hatte, bat er ihn, seine Rede zu beenden; er gab ihm zu verstehen, dass seine Gunst bei ihm so groß sei, dass er das dem Staat angetane Unrecht und seine persönliche Kränkung in Rücksicht auf seinen Wunsch und seine Bitten ungestraft lassen werde. Er rief Dumnorix zu sich, holte den Bruder hinzu; was er an ihm tadle, tat er kund; was er selbst wisse, was sein Volk beklage, legte er dar; er mahnte ihn, für die Zukunft sämtliche Verdachtsgründe zu vermeiden. Er sagte, dass er seinem Bruder Diviciacus zuliebe das Vergangene ungestraft lasse. Dem Dumnorix stellte er Wächte, um wissen zu können, was er treibt, mit wem er spricht.


30. Gratulationen nach dem Krieg


[30] Bello Helvetiorum confecto totius fere Galliae legati, principes civitatum, ad Caesarem gratulatum convenerunt: intellegere sese, tametsi pro veteribus Helvetiorum iniuriis populi Romani ab his poenas bello repetisset, tamen eam rem non minus ex usu [terrae] Galliae quam populi Romani accidisse, propterea quod eo consilio florentissimis rebus domos suas Helvetii reliquissent, uti toti Galliae bellum inferrent imperioque potirentur, locumque domicilio ex magna copia deligerent, quem ex omni Gallia oportunissimum ac fructuosissimum iudicassent, reliquasque civitates stipendiarias haberent. Petierunt, uti sibi concilium totius Galliae in diem certam indicere idque Caesaris facere voluntate liceret: sese habere quasdam res, quas ex communi consensu ab eo petere vellent. Ea re permissa diem concilio constituerunt et iure iurando ne quis enuntiaret, nisi quibus communi consilio mandatum esset, inter se sanxerunt.


[30] Nach Beendigung des Krieges gegen die Helvetier trafen Gesandte ganz Galliens, Oberhäupter der Stämme, bei Caesar ein, um zu gratulieren: sie wüssten, dass sich diese Sache, auch wenn er für die alten Unrechte der Helvetier gegen das römische Volk an diesen mit Krieg Rache genommen habe, dennoch nicht weniger zum Nutzen Galliens als zum Nutzen des römischen Volkes ereignet habe, <und zwar> deswegen, weil die Helvetier ihre Heimat unter blühendsten Verhältnissen verlassen hätten, in der Absicht, ganz Gallien mit Krieg zu überziehen, sich der Oberherrschaft zu bemächtigen, aus der Menge denjenigen Ort, den sie für den bestgelegensten und fruchtbarsten ganz Galliens gehalten hätten, zum Wohnsitz auszusuchen und die übrigen Stämme steuerpflichtig zu machen. Die Gesandten baten Caesar, an einem bestimmten Tag eine Zusammenkunft ganz Galliens ansagen und diese mit seiner Einwilligung durchführen zu dürfen: sie hätten gewisse Anliegen, um die sie ihn aufgrund eines allgemeinen Beschlusses bitten wollten. Nach Erlaubnis dieser Sache setzten sie einen Tag für die Versammlung fest und setzten untereinander mit einem Schwur unverbrüchlich fest, dass niemand etwas mitteile, außer diejenigen, denen es durch gemeinschaftlichen Beschluss aufgetragen worden sei.



Anmerkungen und Hilfen


[1]

Eorum una pars : Bezieht sich zurück auf die drei eingangs genannten Gebiete bzw. Völkerschaften, in die sich Gallien aufteilt und aus denen Caesar nun zunächst die Gallier, dann die Belger und letztlich die Aquitanier herausgreift.

spectare : eigentlich „in eine Richtung sehen“


[2]

una ex parte : pars hier in der Bedeutung „Seite“; der Lateiner fragt bei una ex parte „woher?“, der Deutsche „wo?“.

continentur: […] flumine Rheno latissimo atque altissimo […] monte Iura altissimo […] lacu Lemanno et flumine Rhodano : die nachfolgenden Ablative sind allesamt von continentur abhängig.

fiebat, ut : pseudokonsekutives ut

qua ex parte : „in dieser Hinsicht, diesbezüglich, deshalb”


[3]

confirmant : historisches Präsens; wird im Folgenden öfters auftauchen.

Is sibi legationem ad civitates suscipit. : sibi hier Dativus commodi; es geht selbstverständlich um diejenige Gesandschaft, die zu den zuvor genannten proximis civitatibus geschickt werden soll, um dort Frieden und Freundschaft zu festigen.

regnum […] principatum : Während regnum die durch Gewalt und Tyrannei angemaßte Herrschaft meint, bezeichnet principatus hingegen die höchste Stellung im Staat, entweder vom Volke verliehen oder durch Macht erworben.

factu : Supinum II; an dieser Stelle entbehrlich.

[…] probat […], propterea quod ipse suae civitatis imperium obtenturus esset : Zur Bezeichnung der Nachzeitigkeit tritt in dem obliquen quod-Satz die coniugatio periphrastica activa als Ersatz für den fehlenden Konjunktiv Futur ein; die Form esset erklärt sich, weil probat (historisches Präsens) sowohl als Haupt- als auch als Nebentempus betrachtet werden kann (cf. consecutio temporum).

Hac oratione adducti inter se fidem et ius iurandum dant : Wenngleich Orgetorix bei adducti nicht dazugehört, so ist er doch bei inter se mitzudenken.

totius Galliae : Dieses Genitivobjekt kann sowohl von potiri als auch von populos abhängig sei; inhaltlich-logisch müsste man es auf beide Worte beziehen (ἀπὸ κοινοῦ).


[4]

Ea res est Helvetiis per indicium enuntiata : Wenn man das folgende betrachtet, so ist per indicium enuntiare wohl negativ zu verstehen: „durch (freie) Aussage ausplaudern, verraten.“

causam dicere : wörtlich „den Fall vortragen“, meint „sich vor Gericht verteidigen / verantworten“

damnatum poenam sequi oportebat, ut igni cremaretur. : Bei den Verba des Müssens benutzt der Lateiner auch bei hypothetischen Konstrukten (Annahmen) den Indikativ, während im Deutschen der Irrealis steht; wörtlich: „Dem Verurteilten (ihm, wenn er verurteilt worden wäre) hätte die Strafe folgen müssen, nämlich dass (explikatives ut) er durch Feuer verbrannt würde.

die constituta : kein Ablativus absolutus, sondern ein gewöhnlicher Ablativus temporis

causae dictionis : cf. causam dicere

ius suum exequi : „ihr Recht zu verfolgen, geltend zu machen“

neque abest suspicio, ut Helvetii arbitrantur, quin ipse sibi mortem consciverit. : Nach verneinten Verben und Ausdrücken des Zweifelns und der Ungewissheit, steht häufig quin in der Bedeutung „dass“.


[5]

domum reditionis spe sublata paratiores […] : weil sie kein Zuhause mehr hatten

trium mensum : Genitivus qualitatis

molita cibaria : molita nicht von moliri, sondern von molere (molui, molitum) „gemahlene Lebensmittel“ [ = Mehl]

sibi[/B ] : Dativus commodi

[B]cum iis
: Zu erwarten wäre secum, da Rückbezug auf das Subjekt Helvetii in persuadent genommen wird; zur Wahrung der Objektivität macht Caesar den ut-Satz allerdings vom Standpunkt des Erzählers abhängig.

Boios […] receptos ad se : Das Partizip receptos als infinite Verbform fordert ein Reflexivum bei Rückbezug auf das Subjekt (die Helvetier).

Boios […]socios sibi adsciscunt : sie zogen sich (sibi = Dativus commodi) die Boier als Verbündete (socios = prädikativer Akkusativ) hinzu.


[6]

quibus […] possent : konsekutiver oder finaler Nebensinn

quā […] ducerentur : (Relativ-)Adverb; konsekutiv gefärbter Relativsatz

Extremum oppidum Allobrogum est proximumque Helvetiorum finibus Genava : disp. Extremum oppidum Allobrogum Genava est et Helvetiorum
finibus proximum est.


qua die ad ripam Rhodani omnes conveniant : finaler Relativsatz


[7]

id nuntiatum esset […] eos conari : AcI als Explikativsatz zu id

quam maximis potest itineribus : quam + Superlativ mit fakultativer Form von posse „möglichst …“

numerum imperat : caesarischer Minimalismus (add. dare „stellen“)

qui dicerent sibi esse in animo sine ullo maleficio iter per provinciam facere : das Reflexiva (hier sibi) stehen im AcI bei Rückbezug auf das Subjekt (Nammeius und Verucloetius); der Konjunktiv dicerent steht, weil der Relativsatz eine Absicht enthält (wozu wurden sie geschickt? Um zu sagen…); facere ist Subjektsinfinitiv zu esse („Was ist ihnen im Geist? Den Weg zu machen“).
haberent : obliquer Konjunktiv

vellent : abhängig von respondint, also bloß coniunctivus obliquus und nicht irrealis.

reverterentur : Aufforderungen stehen innerhalb der oratio obliqua im Konjunktiv und folgen der c.t. (als würde ein ut-Satz stehen, der von postulare etc. abhinge).


[8]

qui fines Sequanorum ab Helvetiis dividit : Inkonzinnität

quo facilius, si se invito transire conentur, prohibere possit : potentiales Konditionalgefüge; der Relativsatz trüge ohnehin einen Konjunktiv, da er final zu verstehen ist.

se invito : Nominaler Ablativus Absolutus; zu se : In obliquen Nebensätzen steht das Reflexivum bei Rückbezug auf das Subjekt im übergeordneten Satz..

conentur : coniunctivus potentialis, ebenfalls obliquus (cf. se invito)

prohibiturum : add. se + esse

ea spe deiecti : deicere hier „berauben“, daher ea spe Abl. separationis

si perrumpere possent, conati : Nach Verben des Versuchens und Wartens repräsentieren si-Sätze keine Bedingung, sondern das Objekt (bzw. Subjekt) zum Verbum: „versuchen, ob = versuchen, dass“

navibus iunctis ratibusque compluribus factis : Kein Ablativus Absolutus, sondern instrumentale Ablative analog zu vadis.

navibus iunctis : Schiffe aneinanderbinden, um sie als Brücke über den Fluss zu nutzen.

alii […] : Das erste alii wurde ausgelassen (die einen versuchten mittels zusammengefügter Schiffe …die anderen an seichten Stellen…).


[9]

eo deprecatore : prädikativer Ablativ (nominaler Ablativus Absolutus)

novis rebus : novae res „die neuen Sachen, der Umsturz, die Revolution“

civitates […] habere obstrictas : die Stämme „als verpflichtete“ (prädikativ) haben

Sequani, ne […] Helvetii, ut […] : add. obsides dant (hist.


[13]

ubi eos Caesar constituisset atque esse voluisset : die Konjunktive erklären sich als oblique (indirekte Rede); das Tempus, in dem Fall Konj. Plusquamperfekt, bezeichnet die Vorzeitigkeit zur futurischen Hauptsatzhandlung (ituros esse), ersetzt also das Futur II, richtet sich aber nach dem Tempus des Einleitungswort der indirekten Rede (egit). Auf ein Nebentempus steht in konjunktivischen Nebensätzen bei Vorzeitigkeit Konjunktiv Plusquamperfekt. Das Deutsche verwendet das Futur II ungern.


[14]

non fuisse difficile cavere : normalerweise wäre an dieser Stelle - um den Irrealis der Vergangenheit auszudrücken - der Inf. Perfekt der coniugatio periphrastica activa zu erwarten (futurum fuisse), da wir uns in der Apodosis des in infinitivische Abhängigkeit geratenen irrealen Konditionalgefüges befinden (das ist der Oratio obliqua zu schulden). Dies ist aber hier nicht der Fall. Der Grund dafür liegt im Ausdruck „(non) difficile est“, der im Lateinischen in direkter Rede indikativisch vorliegen würde, da der Lateiner die tatsächliche „Leichtigkeit“ des, wenn auch nur angenommenen, Ereignisses "cavere" ins Auge fasst, der Deutsche die Unwirklichkeit des Infinitivs (sich vorsehen) auf den übergeordneten Ausdruck (es wäre nicht schwierig gewesen) abfärben lässt.

consuesse : zusammengezogener Infinitiv Perfekt von consuevisse.


[17]

si Helvetios superaverint Romani : Konjunktiv Perfekt als Futur II-Ersatz (wegen indirekter Rede).

Ab isdem nostra consilia quaeque in castris gerantur hostibus enuntiari : Der Satzbau wirkt auf den ersten Blick irritierend; interessanterweise können wir diesen „uneigentlichen“ Relativsatz aber sogar im Deutschen wörtlich nachahmen. Länger ausgedrückt: Ab isdem nostra consilia et ea, quae in castris gerantur, hostibus enuntiari.

Quin etiam, quod necessario rem coactus Caesari enuntiarit, intellegere sese, quanto id cum periculo fecerit : Den quod-Satz möchte ich als Explikativsatz auffassen, welcher das später folgende „id“ näher beschreibt. In diesem Kontext bietet sich sodann auch an, das Partizip coactus konzessiv zu übersetzen: wenngleich notgedrungen (gezwungen).


[18]

causa : hier final aufzufassen und nicht begründend; wörtlich „im Interesse auf diese Macht“

Reperiebat etiam in quaerendo Caesar, quod proelium equestre adversum paucis ante diebus esset factum, initium eius fugae factum a Dumnorige atque eius equitibus : anakoluthe Satzstruktur; quod (was das betrifft, dass) steht hier wie in Kapitel 13 (Quod improviso unum pagum adortus esset, …ob eam rem). So wie das „ob eam rem“ den Inhalt des quod-Satzes aufgreift, tut es in diesem Satz das „eius fugae“, indem es das „proelium equestre adversum“ inhaltlich genauer beschreibt. Die fuga macht das proelium quasi zu einem adversum.


[19]

inscientibus ipsis : Ablativus Absolutus; mit ipsis sind se (Caesar) und die civitas der Häduer gemeint.


[20]

condonet : von condonare „jemandem eine Strafe schenken oder erlassen“, wobei im Akkusativ angegeben wird, was ungestraft bleibt und im Dativ, wem zuliebe oder in Rücksicht auf wen oder was die Strafe erlassen wird.


[30]

iure iurando, ne quis enuntiaret, […], inter se sanxerunt. : der finale Objektsatz ist nicht etwa, wie man annehmen könnte, von iure iurando abhängig (denn iurare steht mit AcI), sondern von sanxerunt (Perfekt von sancire „als heilig und unwiderrufbar festsetzen“). Als Verbum des Beschließens kann es mit „ut“ bzw. „ne“ stehen.




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