Übersetzungen - Ovid
Ovid - Epistulae ex Ponto - liber quartus
03.06.2012 - 16:28

Epistulae ex Ponto IV






Epistulae 4, 13 - Caro






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O mihi non dubios inter memorande sodales,
qui, quod es, id vere, Care, vocaris, ave!
Unde salutaris, color hic tibi protinus index
et structura mei carminis esse potest,
non quia mirifica est, sed quod non publica certe est:
qualis enim cumque est, non latet esse meam.
Ipse quoque, ut titulum chartae de fronte revellas,
quod sit opus videor dicere posse tuum.
Quamlibet in multis positus noscere libellis
perque obseruatas inveniere notas.
Prodent auctorem vires, quas Hercule dignas
novimus atque illi, quem canis ipse, pares.
Et mea Musa potest proprio deprensa colore
insignis vitiis forsitan esse suis.
Tam mala Thersiten prohibebat forma latere
quam pulchra Nireus conspiciendus erat.
Nec te mirari, si sint vitiosa, decebit
carmina quae faciam paene poeta Getes.
A! pudet et Getico scripsi sermone libellum
structaque sunt nostris barbara verba modis:
et placui--gratare mihi!--coepique poetae
inter inhumanos nomen habere Getas.


Materiam quaeris? Laudes de Caesare dixi!
Adiuta est novitas numine nostra dei.
Nam patris Augusti docui mortale fuisse
corpus, in aetherias numen abisse domos,
esse parem virtute patri, qui frena rogatus
saepe recusati ceperit imperii,
esse pudicarum te Vestam, Livia, matrum,
ambiguum nato dignior anne viro,
esse duos iuvenes, firma adiumenta parentis,
qui dederint animi pignora certa sui.
Haec ubi non patria perlegi scripta Camena,
venit et ad digitos ultima charta meos,
et caput et plenas omnes movere pharetras,
et longum Getico murmur in ore fuit,
atque aliquis 'Scribas haec cum de Caesare' dixit
'Caesaris imperio restituendus eras.'
Ille quidem dixit, sed me iam, Care, nivali
sexta relegatum bruma sub axe videt.
Carmina nil prosunt, nocuerunt carmina quondam
primaque tam miserae causa fuere fugae.
At tu, per studii communia foedera sacri,
per non vile tibi nomen amicitiae, -
sic capto Latiis Germanicus hoste catenis
materiam vestris adferat ingeniis,
sic valeant pueri, votum commune deorum,
quos laus formandos est tibi magna datos! -
quanta potes, praebe nostrae momenta saluti
quae nisi mutato nulla futura loco est.



O du mein Carus, den ich nicht zu meinen zweifelhaften Freunden zählen muss, der du wahrlich danach genannt wirst, was du bist, sei gegrüßt!
Woher du gegrüßt wirst, vermag dir augenblicklich diese Tonart und der Aufbau meines Gedichts verraten, nicht weil er erstaunlich, sondern weil er gewiss nicht allgemein üblich ist:
Denn wie beschaffen er auch ist, es ist offensichtlich, dass er mein ist.
Auch ich selbst scheine sagen zu können, was dein Werk ist, auch wenn du den Titel der Schrift von der Vorderseite entfernst.
Magst du auch bei noch so vielen Büchern liegen, man wird dich erkennen und anhand beobachteter Merkmale ausfindig machen.
Kräfte werden den Dichter verraten, die wir als dem Herkules würdig kennen und jenem gleich, den du selbst besingst.
Auch meine Muse, erkannt an ihrer eigenen Tonart, vermag wohl durch ihre Fehler hervorzustechen.
So hielt seine hässliche Gestalt Thersites davon ab, verborgen zu sein wie der schöne Nireus in die Augen fallen musste.
Und es würde sich ziemen, dass du dich nicht – sollten sie fehlerhaft sein – über meine Gedichte wunderst, die ich als fast schon getischer Dichter schreibe.
Ahh! Ich schäme mich: Ich habe ein Buch in getischer Sprache geschrieben und barbarische Wörter sind nach unseren Versmaßen angeordnet worden:
Und ich gefiel – beglückwünsche mich! – und begann den Namen eines Dichters unter grausamen Geten zu haben.

Du fragst nach meinem Stoff? Lobeslieder über Caesar sang ich! Meine Neuheit wurde durch die Macht eines Gottes unterstützt.
Denn ich lehrte, dass der Körper des Vaters Augustus sterblich gewesen, sein göttliches Wesen aber zu himmlischen Behausungen geschwebt sei,
dass er, der die Zügel der Herrschaft angenommen habe, nachdem er oft gebeten worden sei und diese abgelehnt habe, dem Vater gleich an Tapferkeit sei, dass du, Livia, Vesta der züchtigen Mütter seiest,
zweifelhaft, ob dem Sohn oder dem Mann würdiger,
dass es zwei junge Männer gebe, eine starke Unterstützung für den Vater, die unzweifelhafte Beweise ihres Mutes gebracht hätte.
Sowie ich dieses mit nicht väterlicher Muse verlesen hatte, und mir das letzte Blatt zu meinen Fingern gekommen war, schüttelten alle sowohl ihr Haupt als auch ihre vollen Köcher, und es gab ein langes Gemurmel an der getischen Küste, und jemand sagte: „Da du dies über Caesar schreibst, hättest du auf Caesars Befehl wieder zurückgerufen werden müssen.“
Zwar sagte jener dies, aber der sechste Winter, mein Carus, sieht mich schon, verbannt unter schneebedecktem Pol.
Gedichte nützen nichts, Gedichte schadeten einst und waren der erste Grund meiner so elenden Flucht.
Aber du, bei den gemeinsamen Bunden geweihter Neigung, im dir nicht wertlosen Namen der Freundschaft –
So wahr ich wünsche, dass Germanicus durch die Fesselung des Feindes mit römischen Ketten deinem Talent Stoff herbeischafft,
so wahr ich wünsche, dass seine Söhne, die dir äußerst ehrenvoll zur Erziehung anvertraut worden sind, gesund sind, ein allen gemeinsamer Wunsch an die Götter! –
trage Hilfe bei, wie viel du kannst, zu meiner Rettung, die es künftig nicht gibt, außer durch eine Wechslung des Ortes.




Hilfen zur Übersetzung

[4,13]

(1-2) O mihi…memorande...Care : der durch „O“ implizierte Vokativ ist memorande Care, daher auch ein kurzes „e“ beim Skandieren; mihi ist folglich ein Dativus auctoris.

(9-10) Quamlibet in multis positus noscere libellis
perque obseruatas inveniere notas.
: der Sinn ist: Quamlibet in multis libellis positus sis, noscere perque observatas inveniere notas. Das Wort quamlibet drückt eine Einräumung aus. Die Verben noscere (= nosceris) und inveniere (= invenieris) stehen im Futur in der alternativen Personalendung für die 2. Pers. Sg. Passiv – re anstatt –ris.

(16) conspiciendus : conspicere im Passiv kann heißen: „die Blicke auf sich ziehen“ oder „in die Augen fallen“.

(18) quae faciam : konsekutiver Relativsatz; Gedichte die so beschaffen sind, dass sie schon fast wie von einem getischen Dichter geschrieben scheinen.

(20) nostris…modis : Ablativus modi „nach/in unseren Maßen/Metren/Versmaßen“

(21) gratare : Imperativ Prä. Sg. von gratari

(27-28) esse parem virtute patri, qui frena rogatus
saepe recusati ceperit imperii
:
die Rede ist hier von Octavian und Tiberius, der nach dem Tod seines Vaters die Herrschaft – wenn auch zögerlich - übernommen hat. Sein Zögern war wohl eher Taktik, um den Eindruck von Bescheidenheit zu erwecken und sich somit als einen besonnenen Herrscher zu empfehlen, als dass er wirklich unentschlossen war.
Die Wortstellung rogatus saepe (= apokoinu) recusati ist sicherlich gezielt gewählt, um das häufige Bitten durch den Senat und anschließende häufige Ablehnen des Tiberius auszudrücken. Tiberius wurde also zuerst immer wieder gebeten und hat immer wieder abgelehnt, bis er dann schließlich die frena imperii ergriffen hat.


(30) ambiguum nato dignior anne viro : i. e. (dixit) ambiguum esse, utrum nato an viro esset.

(32) pignora : pignus hier i. S. v. „Beweis“

(38) restituendus eras : vom Deutschen abweichende Verwendung des Indikativs im Lateinischen, sog. redundanter Konjunktiv.

(45+47) sic : (+ Konjunktiv) bei Wünschen, Schwüren und Beteuerungen, ähnlich einem vorangestelltem utinam etc. „so wahr ich wünsche, dass / möge dieses und jenes geschehen“.

(47) deorum : Genitivus obiectivus

(48) quos laus formandos est tibi magna datos : der Relativsatz ist verschränkt durch einen AcI, abhängig von laus est. Als eigenständiger Satz (quos = eos) : „Es ist eine große Anerkennung, dass diese dir zur Erziehung anvertraut worden sind.

(50) nisi mutato…loco : durch nisi wird der des Abl. Abs. restriktiv (einschränkend) gefärbt.




Imperator


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