Horaz - Carmen Saeculare - Deutsche Übersetzung


Horaz - Carmen Saeculare





Carmen Saeculare - Versmaß: sapphische Strophe







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Phoebe silvarumque potens Diana,
lucidum caeli decus, o colendi
semper et culti, date quae precamur
tempore sacro,

quo Sibyllini monuere versus
virgines lectas puerosque castos
dis, quibus septem placuere colles,
dicere carmen.

Alme Sol, curru nitido diem qui
promis et celas aliusque et idem
nasceris, possis nihil urbe Roma
visere maius.

Rite maturos aperire partus
lenis, Ilithyia, tuere matres,
sive tu Lucina probas vocari
seu Genitalis:

Diva, producas subolem patrumque
prosperes decreta super iugandis
feminis prolisque novae feraci
lege marita,

certus undenos deciens per annos
orbis ut cantus referatque ludos
ter die claro totiensque grata
nocte frequentis.

Vosque veraces cecinisse Parcae,
quod semel dictum est stabilisque rerum
terminus servet, bona iam peractis
iungite fata.

Fertilis frugum pecorisque Tellus
spicea donet Cererem corona;
nutriant fetus et aquae salubres
et Iouis aurae.

Condito mitis placidusque telo
supplices audi pueros, Apollo;
siderum regina bicornis, audi,
Luna, puellas.

Roma si vestrum est opus Iliaeque
litus Etruscum tenuere turmae,
iussa pars mutare Lares et urbem
sospite cursu,

cui per ardentem sine fraude Troiam
castus Aeneas patriae superstes
liberum munivit iter, daturus
plura relictis:

di, probos mores docili iuventae,
di, senectuti placidae quietem,
Romulae genti date remque prolemque
et decus omne;

quaeque vos bobus veneratur albis
clarus Anchisae Venerisque sanguis,
impetret, bellante prior, iacentem
lenis in hostem.

Iam mari terraque manus potentis
Medus Albanasque timet securis;
iam Scythae responsa petunt, superbi
nuper et Indi;

iam Fides et Pax et Honor Pudorque
priscus et neglecta redire Virtus
audet apparetque beata pleno
Copia cornu;

augur et fulgente decorus arcu
Phoebus acceptusque novem Camenis,
qui salutari levat arte fessos
corporis artus,

si Palatinas videt aequus arces,
remque Romanam Latiumque felix
alterum in lustrum meliusque semper
prorogat aevum;

quaeque Aventinum tenet Algidumque,
quidecim Diana preces virorum
curat et votis puerorum amicas
applicat auris.

Haec Iovem sentire deosque cunctos
spem bonam certamque domum reporto,
doctus et Phoebi chorus et Dianae
dicere laudes.



Phoebus und der Wälder mächtige Diana, glanzvolle Zierde des Himmels, o immer zu verehrende und immer verehrte, gebt, um was wir in dieser heiligen Zeit bitten,

wo sibyllinische Verse auserlesene Jungfrauen und keusche Knaben gemahnt haben, denjenigen Göttern, denen die sieben Hügel gefallen haben, ein Lied zu singen.

Gütiger Sol, der du mit deinem strahlenden Wagen den Tag hervorbringst und wieder versteckst, als anderer und als derselbe geboren wirst, mögest du nichts größeres als Rom sehen!

Sanft lässt du, Ilithyia, Kinder nach normaler Schwangerschaftsdauer das Licht der Welt erblicken und beschützst die Mütter, ob du nun lieber Lucina oder Genitalis genannt wirst:

Göttin, zieh unsere Nachkommenschaft groß und verschaff Gedeihen den Beschlüssen über die Vermählung von Frauen und zwar über das Ehegesetz, das fruchtbar neuen Sprösslings,

sodass der auf 110 Jahre festgesetzte Kreislauf Gesang und Spiele hervorbringt, die wir zahlreich dreimal am hellichten Tage und ebenso oft in der schönen Nacht besuchen.

Und ihr Wahrheit verkündet habende Parzen – was einmal gesagt worden ist und die Grenze der Dinge standhaft bewahrt – fügt gutes Schicksal mit dem schon vergangenen zusammen.

Ergiebig an Früchten und Vieh beschenke die Erde Ceres mit einem Ährenkranz! Dienlicher Regen und Wind Juppiters nähre die Saat!


Apollo, steck weg die Waffe und hör mild und friedsam die in Demut bittenden Jungen an; zweihörnige Königin der Gestirne, Luna, horch den Mädchen.


Wenn Rom euer Werk ist und Ilions Truppen an der etruskischen Küste landeten, man einem Teil befahl, Haus und Stadt mit glücklichem Lauf zu wechseln,


für den der fromme Aeneas, unbeschadet, seine Heimat überlebend, einen freien Weg durch das brennende Troja bahnte, um diesem Teil mehr zu geben als er verloren hat.

Götter, gebt tugendhafte Sitten der gelehrsamen Jugend, Götter, gebt Ruhe dem friedsamen Greisenalter, dem Volk des Romulus Wohlstand, Nachkommen und jegliche Zierde;

Und um was der berühmte Spross des Anchises und der Venus euch mit weißen Rindern bittet, soll er erlangen, stärker als der kämpfende Feind, sanft gegen den am Boden liegenden.

Jetzt fürchtet der Meder unsere Truppen, die zu Lande und zu Wasser mächtig, und die Beile Albas; jetzt bitten die Skythen, die jüngst noch hochmütigen Inder um Antworten;

Jetzt wagen Fides, Pax, der alte Scham und Venus ihre Rückkehr und Copia erscheint glücklich mit vollem Horne;


Phoebus, mit glänzendem Bogen geziert, der Weissager und von den neun Musen empfangene, der mit seiner Heilkunst erschöpfte Körpergliedmaßen genesen lässt,

verlängert stets, wenn er die palatinischen Festen wohlwollend ansieht, die römische Macht und das Glück Latiums um ein weiteres Lustrum und eine bessere Zeit.

und Diana, die den Aventin und Algidus innehat, kümmert sich um die Bitten der fünfzehn Männer und wendet ihre Ohren freundlich den Bitten der Jungen zu.


Ich bring heim die gute und gewisse Hoffnung, dass Juppiter und sämtliche Götter dies erhören, ich und die Tanzende Schar, die gelehrt Lob auf Phoebus und Diana zu singen.




Hilfen zur Übersetzung


(13-14)
Rite maturos : das Adverb rite affiziert maturos „im gehörigen Maße gereift“, d.h. nach normaler Schwangerschaftsdauer

(13-14)
aperire partus / lenis : der Infinitiv hängt von lenis ab und steht im Sinne eines Abl. limitationis oder ähnlichen Ausdrücken

(15-16)
sive tu Lucina probas vocari / seu Genitalis : beim Objektsinfinitiv (vocari) steht das Prädikatsnomen im Nominativ (Lucina / Genitalis); „ob du es nun für gut befindest, Lucina oder Genitalis genannt zu werden“

(19-20)
prolisque novae feraci / lege marita : der Genitiv prolis novae hängt von feraci ab (objektiv oder partitiv); que ist epexegetisch, es folgt eine Beschreibung des Vorherigen Ablativs iugandis feminis durch feraci lege marita

(23)
totiensque : hier „ebenso oft“

(25)
veraces cecinisse : ähnlich wie in v. 13-14

(26-27)
quod semel dictum est stabilisque rerum / terminus servet : Zeugma (Syllepse) quod wird einmal von dictum est als Nominativ und einmal von terminus servet als Akkusativ gefordert.

(39)
pars : sc. pars Troianorum

(41)
cui : Dat. commodi, Bezug auf pars

(42)
patriae superstes : entweder Dat. oder Gen. „seine Heimat überlebend“, d.h. „von seiner Heimat übrigbleibend“

(43)
daturus : add. ei parti

(44)
relictis : Abl. comparationis [ = quam relicta]

(49)
quaeque vos bobus veneratur : venerari hier mit dopp. Akkusativ (im dt. Akkusativobjekt + Präpositionalobjekt), so wie meistens auch poscere konstruiert wird

(51-52)
bellante prior, iacentem / lenis in hostem. : Zeugma (Syllepsis); hostem ist logisch auch Bezugswort von bellante

(65)
videt aequus : aequus ist prädikativ zu Phoebus

(66-68)
remque Romanam Latiumque felix / alterum in lustrum meliusque semper / prorogat aevum : fragwürdige Passage; ist die Interpunktion so korrekt? Wie sind die Bezüge? Ist prorogat aevum in alterum lustrum meliusque semper gemeint? Also aevum als Objekt wie rem und Latium zu sehen? Oder in alterum lustrum et in semper melius aevum prorogat (rem et Latium), wo in aevum parallel zu in lustrum steht? Oder ist remque Romanam Latiumque noch zum si-Satz zu ziehen und felix als Prädikativ zu Phoebus?

(71-72)
amicas / applicat auris : amicas ist prädikativ zu auris

(73-74)
Haec Iovem sentire deosque cunctos / spem bonam certamque domum reporto : Die Phrase spem bonam certamque (domum) reporto i. S. v. spero macht den AcI haec Iovem sentire deosque cunctos von sich abhängig; hier ungewöhnlicher mit Infinitiv Präsens statt Futur


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