Kasuslehre |
Vierter Kasus - Akkusativ |
02.09.2011 - 16:58 |
Der Akkusativ hat entweder die syntaktische Funktion eines Objekts, einer adverbialen Bestimmung oder eines Prädikatsnomens.
Aus diesem Umstand resultieren auch sehr unterschiedliche Fragen nach dem Akkusativ.
- In seiner Funktion als Objekt ist die Frage "wen oder was?": formicam comprimere ~ die Ameise zerquetschen
- Adverbial wird der Akkusativ hauptsächlich als Richtungskasus gebraucht (wohin?). Weiterhin kann er die räumliche (wie weit?) oder zeitliche Ausdehnung (wie lange?) beschreiben. Letztlich gibt es einige adverbial erstarrte Akkusative mit unterschiedlichen Bedeutungen.
Genauren Aufschluss über die Verwendungsweisen geben die einzelnen Kapitel, die in dieser Übersicht zusammengefasst sind:
Akkusativ des äußeren Objekts
Im Grunde ist dies die eigentliche Verwendung des Akkusativs auf die Frage "wen oder was?". Der Name äußeres Objekt kommt daher, dass er die Person oder Sache bezeichnet, die von einer Handlung betroffen ist, während das innere Objekt die Verbalhandlung sachlich aufgreift und somit nur verstärkt.
Adierunt oraculum. | Sie wendeten sich an das Orakel. | Hoc igitur consilium cepit (iniit). | Also fasste er diesen Plan. | Hortulos fontibus irrigavit. | Er bewässerte seine Gärtchen mit Quellwasser. | Frequens iuventute gymnasium armis et igni circumdedit omnesque, qui in eo erant, partim ferro, partim flamma necavit | Das von jungen Leuten zahlreich besuchte Gymnasium umgab er mit Waffen und Feuer und alle, die in diesem waren, tötete er teils durchs Schwert, teils durch die Flamme. |
Es ist wichtig, zu wissen, dass viele normalerweise intransitive Verben durch Verbindung mit Präpositionen, die mit dem Akkusativ stehen, zu transitiven Verben werden. So ist es im Deutschen allerdings auch, weshalb es niemanden verwundern sollte:
scandere | steigen | ascendere murum | eine Mauer ersteigen | salire | springen | insilire equum | auf das Pferd springen | loqui | reden | alloqui virum | den Mann anreden | suevisse | gewohnt sein | assuescere Armenios | die Armenier an etwas gewöhnen |
Weiterhin gibt es eine Reihe von transitiven Verben im Lateinischen, denen im Deutschen Intransitiva entsprechen. Anders ausgedrückt: Die folgenden Verben stehen im Lateinischen mit dem Akkusativ, im Deutschen jedoch mit dem Dativ:
(ad)iuvare | helfen | fugere | fliehen | (ad)aequare | gleichkommen | sequi | folgen | deficere | fehlen, mangeln | ulcisci | rächen |
Akkusativ des inneren Objekts
Man spricht von einem Akkusativ des inneren Objekts, wenn das Akkusativobjekt die Verbalhandlung inhaltlich aufgreift und nur verstärkt. In diesem Fall können selbst intransitive Verben, also jene Verben, die normalerweise kein Akkusativobjekt bei sich haben, ein solches zu sich nehmen. Dieser Sonderfall wird auch als etymologische Figur bezeichnet.
vitam vivere | ein Leben leben | pugnam pugnare | einen Kampf kämpfen | Mirum aqtue inscitum somniavi somnium. | Ich träumte einen seltsamen und unverständlichen Traum. | Magna voce iuravi verissimum pulcherrimumque ius iurandum, quod populus item magna voce me vere iurasse iuravit. | Mit lauter Stimme schwor ich den wahrsten und schönsten Eid, von dem das Volk ebenso mit lauter Stimme schwor, dass ich die Wahrheit geschworen hatte. |
Doppelter Objektsakkusativ
Es gibt eine Reihe von Verben, die im Lateinischen mit zwei Akkusativobjekten stehen. Im Deutschen tun es diese Verben in der Regel jedoch nicht. Sie werden dort mit einem Dativ und Akkusativ konstruiert:
celare | verheimlichen | docere | lehren, unterrichten | poscere, flagitare | fordern, verlangen | orare, rogare | bitten, fragen |
Quinque talenta poscit te mulier. | Mutter fordere fünf Talente von dir. | Regem auxilia orabant. | Sie baten den König um Hilfe. |
Auch bei traducere, traicere und transportare, wenn der zweite Akkusativ den Ort angibt:
equitum magnam partem flumen traicere | einen großen Teil der Reiter über den Fuss setzen | bei zusätzlicher Zielangabe wird allerdings die Präposition trans gesetzt:
elephantes trans Alpes Romam |
die Elephanten über die Alpen hinüber nach Rom führen |
Ein Sonderfall des doppelten Objektsakkusativ ist der Akkusativ des Ausrufs, der zum Ausdruck von Schmerz, Klage oder Verwunderung benutzt wird. Seine Erscheinungsform lässt sich wohl damit erklären, dass er von einem gedachten Verb abhängig ist, das einen A.c.I. einleitet.
O me miserum! | Ach ich Elender! | Heu stirpem invisam! | Wehe dir, verhasstes Geschlecht! | O (se)* fortem! | Oh welch Tapferer! |
*Das se ist nur gedacht, um die Theorie des A.c.I. zu unterstützen. Dico se fortem esse. ~ Ich sage, er ist tapfer.
Prädikativer Akkusativ
Der prädikative Akkusativ ist ebenfalls ein doppelter Akkusativ. Der zweite Akkusativ nimmt in diesem Fall allerdings die Funktion eines Prädikatsnomens bzw. Prädikativums ein. Er beinhaltet eine für das Verb nötige Ergänzung. Der prädikative Akkusativ kann bei folgenden Wortgruppen stehen:
- bei den Verben des Machens, Wählens und Nennens
- bei den Verben des Gebens, Habens, und Nehmens
- bei den Verben des Beurteilens
- bei den reflexiven Verben "sich bewähren, erweisen, zeigen etc."
Ciceronem consulem facere, deligere, nominare | Cicero zum Konsul machen, wählen, ernennen | militem comitem dare, habere, sumere | einen Soldaten als Begleiter geben, haben, nehmen | Caesarem deum habere | Caesar für einen Gott halten | se invictum praestare, praebere | sich als unbesiegbar erweisen, zeigen |
Akkusativ als Richtungskasus
Neben seiner Funktion als einfaches Objekt, wird der Akkusativ hauptsächlich zu Richtungsangaben verwendet. Für die Verwendung von Präpositionen beim Akkusativ als Richtungskasus gibt es einige Regeln:
Bei Städten und kleineren Inseln werden keine Präpositionen gesetzt, es sei denn, sie sind zusätzlich mit einem Attribut versehen.
Romam venire | nach Rom kommen | in urbem Alexandriam proficisci | in die Stadt Alexandria aufbrechen | in pulchram Troiam advenire* | im schönen Troja ankommen |
zur Bezeichnung der näheren Umgebung wird ad benutzt:
ad Zamam iter facere |
in die Nähe von Zama marschieren |
Wird eine Apposition mit Attribut versehen, tritt diese hinter das Beziehungswort:
in urbem Romam venire | nach Rom kommen | Alexandriam, in pulchram urbem proficisci | nach Alexandria, der schönen Stadt, aufbrechen |
Ebenso wie bei Städten, verhält es sich auch mit domus und rus:
domum ire | nach Hause gehen | rus ferre | aufs Land bringen | in aliam domum mittere | in ein anderes Haus senden |
* Verben des Sich-Versammelns und Ankommens stehen im Lat. abweichend vom Deutschen mit dem Akkusativ.
Akkusativ der räumlichen Ausdehnung
Der Akkusativ der räumlichen Ausdehnung antwortet auf die Fragen "wie weit, hoch, tief, breit?" und "wo entlang?".
ducenta milia passuum | 200.000 Schritte lang (300km) | sescentos pedes altus | 600 Fuß hoch, tief | Villa, quae duo milia passuum a mari abest. | Eine Villa, die zweitausend Schritte vom Meer entfernt ist. | Tyrrhenum aequor navigare | das Tyrrhenische Meer durchfahren | oram Italiae legere | die Küste Italiens entlang segeln |
Akkusativ der zeitlichen Ausdehnung
Dieser antwortet auf die Fragen "wie lange?" und "wie alt?".
De te dies noctesque cogitavi. | Ich dachte Tage und Nächte über dich nach. | Graeci Troiam decem annos obsederunt. | Die Griechen belagerten Troja zehn Jahre lang. | Augustus multos annos regnavit. | Augustus herrschte viele Jahre. | omne ver | den ganzen Frühling lang | annos nonaginta natus | neunzig Jahre alt |
Adverbialer Akkusativ
Neben einigen adverbial erstarrten Formen wie multum, demum, parum oder facile findet sich der der adverbiale Gebrauch des Akkusativ bei neutralen Pronomina und Wendungen mit pars:
id aetatis | in diesem Alter | id temporis | zu dieser Zeit | maximam partem | größtenteils | nonnullam partem | zu einigen Teilen | nihil | in nichts |
Zu den adverbialen Akkusativen zählt ebenfalls der sog. Accusativus limitationis, der auch Accusativus Graecus genannt wird, weil er eine aus dem Griechischen adaptierte Kasusfunktion darstellt. Syntaktisch gesehen handelt es sich bei diesem um eine adverbiale Bestimmung der Einschränkung bzw. des Geltungsbereiches (Vgl. auch Abl. limitationis). Die Verwendung des Accusativus limitationis beschränkt sich nahezu ausschließlich auf poetische Texte und findet sich zumeist bei Partizipien.
ornatus (sc. Liber) viridi tempora pampino | an den Schläfen mit grünem Weinlaub geschmückt | puniceo suras evincta (sc. Delia) coturno | an den Waden mit purpurnem Kothurn umkränzt | scutis protecti (sc. Galli) corpora longis | ihre Körper mit Langschilden bedeckt |
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Imperator |
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