Ovid - Metamorphosen - liber primus - Verse 1-150 - Deutsche Übersetzung


Ovid Metamorphosen I - Verse (1-150)



[1-75] Entstehung der Welt
[76-88] Schaffung des Menschen
[89-112] Goldenes Zeitalter
[113-124] Silbernes Zeitalter
[125-150] Ehernes und Eisernes Zeitalter


Anmerkungen und Hilfen zur Übersetzung [1-88]
Anmerkungen und Hilfen zur Übersetzung [89-150]


Verse 1-75 - Entstehung der Welt






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In nova fert animus mutatas dicere formas
corpora; di, coeptis (nam vos mutastis et illas)
adspirate meis primaque ab origine mundi
ad mea perpetuum deducite tempora carmen!
Ante mare et terras et quod tegit omnia caelum
unus erat toto naturae vultus in orbe,
quem dixere chaos: rudis indigestaque moles
nec quicquam nisi pondus iners congestaque eodem
non bene iunctarum discordia semina rerum.
nullus adhuc mundo praebebat lumina Titan,
nec nova crescendo reparabat cornua Phoebe,
nec circumfuso pendebat in aere tellus
ponderibus librata suis, nec bracchia longo
margine terrarum porrexerat Amphitrite;
utque erat et tellus illic et pontus et aer,
sic erat instabilis tellus, innabilis unda,
lucis egens aer; nulli sua forma manebat,
obstabatque aliis aliud, quia corpore in uno
frigida pugnabant calidis, umentia siccis,
mollia cum duris, sine pondere, habentia pondus.
Hanc deus et melior litem natura diremit.
Nam caelo terras et terris abscidit undas
et liquidum spisso secrevit ab aere caelum.
Quae postquam evolvit caecoque exemit acervo,
dissociata locis concordi pace ligavit:
ignea convexi vis et sine pondere caeli
emicuit summaque locum sibi fecit in arce;
proximus est aer illi levitate locoque;
densior his tellus elementaque grandia traxit
et pressa est gravitate sua; circumfluus umor
ultima possedit solidumque coercuit orbem.
Sic ubi dispositam quisquis fuit ille deorum
congeriem secuit sectamque in membra coegit,
principio terram, ne non aequalis ab omni
parte foret, magni speciem glomeravit in orbis.
tum freta diffundi rapidisque tumescere ventis
iussit et ambitae circumdare litora terrae;
addidit et fontes et stagna inmensa lacusque
fluminaque obliquis cinxit declivia ripis,
quae, diversa locis, partim sorbentur ab ipsa,
in mare perveniunt partim campoque recepta
liberioris aquae pro ripis litora pulsant.
Iussit et extendi campos, subsidere valles,
fronde tegi silvas, lapidosos surgere montes;
utque duae dextra caelum totidemque sinistra
parte secant zonae, quinta est ardentior illis,
sic onus inclusum numero distinxit eodem
cura dei, totidemque plagae tellure premuntur.
quarum quae media est, non est habitabilis aestu;
nix tegit alta duas; totidem inter utramque locavit
temperiemque dedit mixta cum frigore flamma.
Inminet his aer, qui, quanto est pondere terrae
pondus aquae levius, tanto est onerosior igni.
Illic et nebulas, illic consistere nubes
iussit et humanas motura tonitrua mentes
et cum fulminibus facientes fulgura ventos.
His quoque non passim mundi fabricator habendum
aera permisit; vix nunc obsistitur illis,
cum sua quisque regat diverso flamina tractu,
quin lanient mundum; tanta est discordia fratrum.
Eurus ad Auroram Nabataeaque regna recessit
Persidaque et radiis iuga subdita matutinis;
vesper et occiduo quae litora sole tepescunt,
proxima sunt Zephyro; Scythiam septemque triones
horrifer invasit Boreas; contraria tellus
nubibus adsiduis pluviaque madescit ab Austro.
Haec super inposuit liquidum et gravitate carentem
aethera nec quicquam terrenae faecis habentem.
Vix ita limitibus dissaepserat omnia certis,
cum, quae pressa diu fuerant caligine caeca,
sidera coeperunt toto effervescere caelo;
neu regio foret ulla suis animalibus orba,
astra tenent caeleste solum formaeque deorum,
cesserunt nitidis habitandae piscibus undae,
terra feras cepit, volucres agitabilis aer.


Mein Herz treibt mich dazu, von Formen zu künden, die in neue Körper verwandelt wurden; Götter, seid meinem Vorhaben förderlich (denn ihr habt jene auch verwandelt) und führt mein stetiges Gedicht vom Ursprung der Welt bis in meine Zeit hinab!
Vor dem Meer, dem Land und dem allesbedeckenden Himmel gab es auf der ganzen Welt nur eine Gestalt der Natur, die man Chaos nannte: ein roher und ungeordneter Klumpen und nichts anderes als träge Masse und ebendahin zusammengehäufte zwieträchtige Samen nicht gehörig verbundener Dinge.
Noch spendete kein Titan dem Weltall sein Licht,
und keine Phoebe ließ neue Hörner wachsen,
und die Erde schwebte nicht in sie umfließender Luft,
befreit von ihrer Last, und keine Amphitrite hatte ihre Arme am langen Rand der Länder ausgebreitet;
zwar waren dort sowohl Erde, als auch Wasser und Luft, aber die Erde war nicht fest, das Wasser nicht befahrbar,
die Luft ohne Licht; keinem blieb seine Form,
und das Eine stand dem Anderen im Weg, weil ja in einem Körper Kaltes mit Warmem, Feuchtes mit Trockenem, Weiches mit Hartem, Gewichtsloses mit Gewichtigem kämpfte.
Diesen Streit haben ein Gott und die bessere Natur geschlichtet. Denn vom Himmel trennte er die Erde, von der Erde das Wasser und von der dichten Luft den klaren Himmel.
Nachdem er diese Elemente auseinander gewickelt und aus dem finstren Haufen genommen hatte, vereinigte er sie räumlich getrennt in einträchtigem Frieden: Die feurige und gewichtslose Kraft des gebogenen Himmels schnellte empor und nahm sich ihren Platz auf der Spitze der Burg; die Luft ist jener in Leichtigkeit und Lage zunächst; dichter als diese zog die Erde größere Elemente an sich und wurd' durch ihre eigene Schwere niedergedrückt; umströmendes Nass nahm das äußerste in Besitz und umschloss den festen Erdkreis.
Sobald jener, welcher Gott es auch immer war, die Masse getrennt und sie getrennt in Teile gezwungen hatte,
ballte er zunächst die Erde, damit sie gänzlich gleichförmig sei, zur Gestalt einer großen Kugel.
Dann ließ er Fluten ausströmen, sie durch reißende Winde anschwellen und sie die Küsten des eingeschlossenen Landes umgeben; auch fügte er Quellen, unermessliche Teiche und Seen und umgürtete die bergabwärts strömenden Flüsse mit schrägen Ufern; diese Flüsse werden an verschiedenen Orten teils von der Erde aufgesogen, teils fließen sie ins Meer und stoßen, vom Feld des freieren Wassers aufgenommen, statt an die Ufer an die Küsten.
Auch gebot er den Feldern sich auszudehnen, den Tälern sich zu senken, den Wäldern sich mit Grün zu bedecken, steinigen Bergen sich zu erheben; und wie zwei Zonen auf der linken und ebensoviele auf der rechten Seite den Himmel schneiden (die fünfte ist heißer als jene), so teilte die Sorgfalt des Gottes die eingeschlossene Masse in dieselbe Zahl auf, und ebensoviele Erdzonen werden von der Erde umschlossen.
Deren mittlere ist wegen Hitze nicht bewohnbar; Schnee bedeckt die zwei Pole; zwischen beide setzte er ebensoviele Zonen und schuf durch die Mischung von Flamme und Frost eine gemäßigte Temperatur.
Über diesen schwebt die Luft, die um so viel schwerer als Feuer, wie des Wassers Last leichter als der Erde Last ist.
Dort ließ er auch Nebel, dort Wolken ihren Platz beziehen und Donner, um die Gemüter der Menschen zu beunruhigen, und Winde, die Wetterleuchten mit Blitzen verursachen.
Diesen erlaubte der Erbauer der Welt nicht, überall die Luft zu besetzen; auch jetzt können sie kaum daran gehindert werden, die Welt zu zerstören, weil jeder seine Hauche in unterschiedliche Richtungen steuert; so groß ist die Zwietracht der Brüder.
Eurus zog sich zu Aurora, den nabatäischen Königreichen, ins Perserland und zu den unter die Morgenstrahlen gelegten Gebirgen zurück; der Abendstern und die Küsten, die durch die untergehende Sonne erwarmen, sind dem Zepyhrus am nächsten; nach Scythien und Norden dringt der schaurig kalte Boreas; die Erde gegenüber wird vom Auster durch stetige Wolken und Regen nass.
Darüber setzte er den reinen und schwerelosen Äther, dem nicht irgendwas an irdischem Bodensatz anhaftet.
Kaum hatte er auf solche Weise alles mit sicheren Grenzen getrennt, da begannen die Sterne, die, lange Zeit verborgen, vor Finsternis blind gewesen waren, am ganzen Himmel emporzulodern; und damit keine Region ohne ihre eigenen Tiere sei, bewohnen Sterne und Gestalten der Götter den Himmelsboden, die Wellen wurden Behausung für die glänzenden Fische, die Erde nahm das Wildtier auf, die leichtbewegliche Luft die Vögel.




Verse 76-88 - Schaffung des Menschen






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Sanctius his animal mentisque capacius altae
deerat adhuc et, quod dominari in cetera posset:
natus homo est, sive hunc divino semine fecit
ille opifex rerum, mundi melioris origo,
sive recens tellus seductaque nuper ab alto
aethere cognati retinebat semina caeli.
Quam satus Iapeto, mixtam pluvialibus undis,
finxit in effigiem moderantum cuncta deorum,
pronaque cum spectent animalia cetera terram,
os homini sublime dedit caelumque videre
iussit et erectos ad sidera tollere vultus:
sic, modo quae fuerat rudis et sine imagine, tellus
induit ignotas hominum conversa figuras.


Ein Wesen heiliger als diese, empfänglich für hohen Sinn und welches über das Übrige herrschen konnte, fehlte noch:
Geboren ward der Mensch, sei es, dass ihn aus göttlichem Samen schuf der Baumeister des Alls, der Ursprung der besseren Welt, oder dass die junge Erde, erst kürzlich vom hohen Äther getrennt, noch Samen vom verwandten Himmel behielt.
Diese gestaltete der Spross des Iapetos, gemischt mit regenreichen Fluten, nach dem Bild der alles beherrschenden Götter, und während die übrigen Wesen nach vorn geneigt zu Boden blicken, gab er dem Menschen ein hochragendes Antlitz und hieß ihn, den Himmel anzusehen und sein aufrechtes Gesicht zu den Sternen zu heben: So zog die Erde, die eben noch roh und formlos, nach ihrer Verwandlung unbekannte Menschengestalten an.


Anmerkungen und Hilfen zur Übersetzung


(5) quod tegit omnia caelum : disp. caelum, quod omnia tegit
(6) toto naturae vultus in orbe : manche meinen auch, naturae sei zu orbe zu ziehen
(8) eodem : Adv. "ebendahin", und zwar zur pondus iners
(11) cornua Phoebe : metaphorisch, die Hörner des Mondes
(25) dissociata locis : das Partizip ist prädikativ zu quae; der Ablativ locis ist limitativ
(36) diffundi : medial
(37) ambitae circumdare litora terrae : sc. iussit freta; das ambitae wirkt zunächst pleonastisch, hat aber durchaus seinen Sinn; gemeint sind die Küsten des Landes, das von diesen Küsten selbst umgeben/eingeschlossen (ambitae) wird; das Meer (freta) umschließt also die Küste, die Küste das Land.
(39) fluminaque obliquis cinxit declivia ripis : man könnte auch übersetzen "legte die bergabwärts strömenden Flüsse in kurvige Ufer", wenn man obliquis als "nicht gerade" auf den Verlauf von Flüssen beziehen möchte
(40) ab ipsa : sc. terra
(48) totidemque plagae tellure premuntur : premere hier "zusammendrücken ~ einschließen"; manche halten tellure für einen lokalen Ablativ und übersetzen premuntur anders
(56) cum fulminibus facientes fulgura ventos : zum Unterschied zwischen fulgur und fulmen cf. Sen. nat. 2, 57, 3: fulgur, quod tantum splendet, et fulmen, quod mittitur
(57-58) His (...) habendum aera permisit : aera ist ein griechischer Akkusativ; dementsprechend kongruiert habendum (sc. esse) mit diesem: es liegt hier ein AcI vor; his (sc. ventis) ist Dat. auctoris
(58-60) vix nunc obsistitur illis, / cum sua quisque regat diverso flamina tractu, / quin lanient mundum : der quin-Satz ist sicherlich von obsistitur abhängig zu machen (üblich nach verneinten Ausdrücken des Hinderns); dennoch machen ihn manche auch vom cum-Satz abhängig und ändern damit den Sinn; beim cum-Satz ist zudem zu fragen, ob er konzessiv oder kausal zu verstehen ist
(64) septemque triones : eig. "die sieben Pflugochsen" (septemtrio = Benennung der sieben Sterne, die den Wagen, eine Konfiguration im Sternbild des großen Bären, bilden; und da diese im Norden sichtbar sind, steht der Begriff metonymisch für "Norden")
(70) quae pressa diu fuerant caligine caeca : quae ist Katapher (Prolepsis) auf sidera im nächsten Vers; man kann caeca auch auf caligine beziehen und übersetzen "die lange von dunklem Rauch verborgen gewesen waren"
(71) coeperunt (...) effervescere : die Kopplung dieser beiden Verben ist pleonastisch
(74) cesserunt nitidis habitandae piscibus undae : wörtlich "die Wellen wurden den glänzenden Fischen als zu bewohnende / bewohnbare überlassen / zuteil"



(82) Quam satus Iapeto : quam sc. tellurem; satus ist Partizip von serere "säen"
(87-88) tellus / induit ignotas hominum conversa figuras : induere heißt hier wirklich "anziehen" (wie ein Kleidungsstück; metaphorisch), die Erde zog also die Menschen an




Verse 89-112 - Das Goldene Zeitalter



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Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo,
sponte sua, sine lege fidem rectumque colebat.
Poena metusque aberant, nec verba minantia fixo
aere legebantur, nec supplex turba timebat
iudicis ora sui, sed erant sine vindice tuti.
Nondum caesa suis, peregrinum ut viseret orbem,
montibus in liquidas pinus descenderat undas,
nullaque mortales praeter sua litora norant;
nondum praecipites cingebant oppida fossae;
non tuba derecti, non aeris cornua flexi,
non galeae, non ensis erat: sine militis usu
mollia securae peragebant otia gentes.
Ipsa quoque inmunis rastroque intacta nec ullis
saucia vomeribus per se dabat omnia tellus,
contentique cibis nullo cogente creatis
arbuteos fetus montanaque fraga legebant
cornaque et in duris haerentia mora rubetis
et, quae deciderant patula Iovis arbore, glandes.
Ver erat aeternum, placidique tepentibus auris
mulcebant zephyri natos sine semine flores;
mox etiam fruges tellus inarata ferebat,
nec renovatus ager gravidis canebat aristis;
flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant,
flavaque de viridi stillabant ilice mella.



Als erstes ward das goldene Zeitalter ins Leben gerufen, das ohne Beschützer, aus eigenem Antrieb, ohne Gesetz Ehrenhaftigkeit und Rechtschaffenheit übte.
Strafe und Furcht gab es nicht, und keine drohenden Worte wurden von beschlagenem Erz verlesen, und die Menge fürchtete nicht in Demut ihres Richters Worte, sondern sie war ohne Beschützer sicher.
Noch war die Fichte nicht gefällt worden und aus ihren Bergen in die klaren Wogen hinabgestiegen, um fremdes Land zu sehen, und die Sterblichen kannte keine außer ihre eigenen Küsten; noch umgürteten keine tiefen Gräben die Städte; weder gab es Trompeten aus geradem, noch Blashörner aus gebogenem Erz, noch Helme, noch Schwerter: ohne den Gebrauch eines Soldaten lebten die Völker angenehme Muße in Sicherheit.
Die Erde selbst blieb unversehrt, von keiner Hacke berührt und von keinem Pflug verwundet, gab sie alles von sich aus; und die Menschen sammelten, zufrieden mit ihrem Essen, das ohne jemandes Zwang erschaffen, Früchte vom Erdbeerbaum und Gebirgserdbeeren, Kornelkirschen und Brombeeren, die an rauhen Sträuchern hängen, und Eicheln, die von Jupiters breit geöffnetem Baum herabgefallen waren.
Es herrschte ewiger Frühling, und sanft streichelten die Westwinde mit warmen Hauchen die ohne Samen entstandenen Blumen;
Bald auch trug Früchte die ungepflügte Erde, und ohne ihm Erholung zu gönnen, war der Acker von ertragreichen Ähren weißgelb;
Bald flossen Flüsse von Milch, bald Flüsse von Nektar, und gelber Honig träufelte von der grünen Steineiche.




Verse 113-124 - Das Silberne Zeitalter




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Postquam Saturno tenebrosa in Tartara misso
sub Iove mundus erat, subiit argentea proles,
auro deterior, fulvo pretiosior aere.
Iuppiter antiqui contraxit tempora veris
perque hiemes aestusque et inaequalis autumnos
et breve ver spatiis exegit quattuor annum.
Tum primum siccis aer fervoribus ustus
canduit, et ventis glacies adstricta pependit;
tum primum subiere domos; domus antra fuerunt
et densi frutices et vinctae cortice virgae.
Semina tum primum longis Cerealia sulcis
obruta sunt, pressique iugo gemuere iuvenci.


Seitdem die Welt, nach Entsendung des Saturnus in den finsteren Tartarus, unter der Herrschaft Jupiters steht, folgte das silberne Zeitalter, schlechter als Gold, kostbarer als das rotgelbe Erz.
Jupiter verkürzte die Zeitspanne des alten Frühlings und vollendete das Jahr durch vier Zeiträume: durch Winter, Sommer, unbeständige Herbste und kurzen Frühling.
Da glühte zunächst die Luft, durch trockene Hitze versengt, und Eis hing herab, von kalten Winden fixiert; dann gingen die Menschen unter ihre Häuser; ihre Häuser waren Höhlen und dichte Büsche und mit Rinde umwundene Zweige.
Dann erst wurden in langen Furchen Ceres' Samen vergraben, und unter's Joch gespannt stöhnten die jungen Rinder.




Verse 125-150 - Das Eherne und Eiserne Zeitalter


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Tertia post illam successit aenea proles, 125
saevior ingeniis et ad horrida promptior arma,
non scelerata tamen; de duro est ultima ferro.
protinus inrupit venae peioris in aevum
omne nefas: fugere pudor verumque fidesque;
in quorum subiere locum fraudesque dolusque
insidiaeque et vis et amor sceleratus habendi.
Vela dabant ventis nec adhuc bene noverat illos
navita, quaeque prius steterant in montibus altis,
fluctibus ignotis insultavere carinae,
communemque prius ceu lumina solis et auras
cautus humum longo signavit limite mensor.
Nec tantum segetes alimentaque debita dives
poscebatur humus, sed itum est in viscera terrae,
quasque recondiderat Stygiisque admoverat umbris,
effodiuntur opes, inritamenta malorum.
Iamque nocens ferrum ferroque nocentius aurum
prodierat, prodit bellum, quod pugnat utroque,
sanguineaque manu crepitantia concutit arma.
Vivitur ex rapto: non hospes ab hospite tutus,
non socer a genero, fratrum quoque gratia rara est;
inminet exitio vir coniugis, illa mariti,
lurida terribiles miscent aconita novercae,
filius ante diem patrios inquirit in annos:
victa iacet pietas, et virgo caede madentis
ultima caelestum terras Astraea reliquit.


Danach folgte als drittes das eherne Zeitalter, wilder in der Sinnesart und geneigter zu starrenden Waffen, doch nicht verbrecherisch; das letzte ist aus hartem Eisen.
Sofort brach ins Zeitalter der schlechteren Ader jedwedes Unrecht hinein: Ehrenhaftigkeit, Wahrheit und Treue flohen; an deren Stelle traten Betrug, List, Heimtücke, Gewalt und frevelhafte Habgier.
Die Segel gab man den Winden preis - der Schiffsmann wusste noch nicht recht über sie Bescheid - und die Kiele, die zuvor auf hohen Bergen hatten gestanden, sprangen auf unbekannte Wellen, und den Boden, der früher wie das Licht der Sonne und der Wind allen gemeinsam war, steckte mit langer Grenzlinie vorsichtig der Feldmesser ab.
Und nicht nur Saaten und schuldige Nahrung forderte man nun vom ertragreichen Boden, sondern in die Eingeweide der Erde ging man, und Schätze, Reizmittel des Bösen, die man verborgen und zu den stygischen Schatten geschafft hatte, gräbt man aus.
Und eben erst waren schädliches Eisen und das noch schädlichere Gold hervorgekommen, da zeigt sich auch der Krieg, der mit beidem kämpft, und mit blutiger Hand die klirrenden Waffen zusammenschlägt.
Man lebt vom Raub: Kein Fremder ist vor dem anderen sicher, kein Schwiegervater vor dem Schwiegersohn, auch ein gutes Verhältnis zwischen Brüdern ist selten; der Mann trachtet nach dem Verderben seiner Ehefrau, jene nach dem ihres Mannes, schreckliche Stiefmütter mischen leichenblass machende Gifttränke, der Sohn forscht vor dem Todestag nach den Jahren seines Vaters:
Besiegt liegt die Moral da, und als letzte der Himmlischen verließ die Jungfrau Astraea die von Mord triefenden Lande.



Anmerkungen und Hilfen zur Übersetzung


(89-112) : man bemerke die Verwendung des Imperfekts im Folgenden
(93) erant : sc. homines (constructio ad sensum zu turba)
(98-99) non tuba derecti, non aeris cornua flexi,
non galeae, non ensis erat
: man beachte den Chiasmus, mit dem Instrumente und Kriegsgerät gegenübergestellt werden (tuba, cornua x galeae, ensis)
(110) nec renovatus ager : renovare heißt selten "zu Kräften kommen lassen"
(111) flumina iam lactis, iam flumina nectaris ibant : die Genitive sind partitiv (qualitativ)



(115) auro deterior, fulvo pretiosior aere : concretum pro abstracto; metonymisch für die jeweiligen Zeitalter
(116) antiqui contraxit tempora veris : nämlich die vom Frühling des goldenen Zeitalter, der ja aeternus war



(127) de duro est ultima ferro : de zur Bezeichnung des Stoffes, woraus etwas ist
(131) amor (...) habendi : "Liebe / Gier des Habens" im Dt. realisiert durch das Kompositum "Habgier"
(133) quaeque prius steterant in montibus altis : Bezug auf carinae im nachstehenden Vers (Katapher); cf. Ov. Met. 1, 70
(137-138) segetes alimentaque debita dives / poscebatur humus : poscere hier im Passiv mit doppeltem Nominativ konstruiert, analog zum doppelten Akkusativ im Aktiv
(139-140) quasque recondiderat Stygiisque admoverat umbris / effodiuntur opes : Katapher; Stygiis (...) umbris ist Dativ der Richtung
(142) quod pugnat utroque : Ablativus instrumenti (es ist nicht das Kämpfen "mit" i. S. v. "gegen" jmd. oder etwas gemeint - das würde pugnare cum heißen - sondern das Instrument, mit dem gekämpft wird sc. ferro et auro)
(148) filius ante diem patrios inquirit in annos : d. h. bevor der Vater gestorben ist, zählt der Sohn schon eifrig die Tage seines Vaters, in der Hoffnung, dass dieser doch bald sterbe



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