Übersetzungen - Cicero
Cicero - In Verrem II - liber quartus [Kap. 61-80] - Deutsche Übersetzung
18.02.2013 - 12:30

In Verrem II - liber quartus - Kap. 61-80



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61. Kapitel


[61] Nam reges Syriae, regis Antiochi filios pueros, scitis Romae nuper fuisse; qui venerant non propter Syriae regnum, nam id sine controversia obtinebant, ut a patre et a maioribus acceperant, sed regnum Aegypti ad se et ad Selenen, matrem suam, pertinere arbitrabantur. Ii posteaquam temporibus rei publicae exclusi per senatum agere, quae voluerant, non potuerunt, in Syriam in regnum patrium profecti sunt. Eorum alter, qui Antiochus vocatur, iter per Siciliam facere voluit, itaque isto praetore venit Syracusas.



[61] Denn die Könige Syriens, die kindlichen Söhne des Königs Antiochus, sind vor Kurzem in Rom gewesen, wie ihr wisst; sie waren nicht wegen des Königreichs Syrien gekommen – denn sie hielten es ohne Streit in ihrem Besitz, wie sie es von ihrem Vater und ihren Vorfahren erhalten hatten – sondern waren der Ansicht, das Königreich Ägypten gehöre zu ihnen und zu Selene, ihrer Mutter. Nachdem sie aufgrund der widrigen Staatsumstände ihr Anliegen nicht durch den Senat verhandeln lassen konnten, machten sie sich auf den Weg nach Syrien, ins Reich ihrer Väter. Der eine der Brüder, der Antiochus heißt, wollte die Route über Sizilien nehmen, und so kam er, als Verres Prätor war, nach Syrakus.


62. Kapitel


[62] Hic Verres hereditatem sibi venisse arbitratus est, quod in eius regnum ac manus venerat is, quem iste et audierat multa secum praeclara habere et suspicabatur. Mittit homini munera satis large haec ad usum domesticum: olei, vini, quod visum est, etiam tritici, quod satis esset, de suis decumis. Deinde ipsum regem ad cenam vocavit. Exornat ample magnificeque triclinium; exponit ea, quibus abundabat, plurima et pulcherrima vasa argentea - nam haec aurea nondum fecerat; omnibus curat rebus instructum et paratum ut sit convivium. Quid multa? Rex ita discessit, ut et istum copiose ornatum et se honorifice acceptum arbitraretur. Vocat ad cenam deinde ipse praetorem; exponit suas copias omnis, multum argentum, non pauca etiam pocula ex auro, quae, ut mos est regius et maxime in Syria, gemmis erant distincta clarissimis. Erat etiam vas vinarium, ex una gemma pergrandi trulla excavata, manubrio aureo, de qua, credo, satis idoneum satis gravem testem, Q. Minucium, dicere audistis.


[62] Da glaubte Verres, eine Erbschaft sei ihm zugekommen, weil ein Mann in sein Königreich und in seine Hände gekommen war, von dem er gehört und vermutet hatte, dass er viele Kostbarkeiten bei sich habe. Er sendete dem Mann – recht freigebig – diese Geschenke zu häuslichen Gebrauch: an Öl und Wein, was ihm beliebte, auch an Getreide, was hinlänglich war, aus den Zehnten. Darauf lud er den König selbst zum Essen ein. Er schmückte das Speisezimmer herrlich und prächtig aus; Verres stellte das aus, was er im Überfluss hatte: sehr viele und sehr schöne silberne Vasen – denn er hatte sie noch nicht vergoldet; er sorgte dafür, dass das Gastmahl mit allen Sachen ausgestattet und versehen war. Was rede ich so viel? Der König verließ das Gelage derart, dass er glaubte, dieser da sei reichlich ausgestattet und er selbst sei ehrenvoll empfangen worden. Dann lud er den Prätor zum Essen ein; er stellte alle seine Güter aus, viel Silber, auch ein paar Becher aus Gold, die, wie es königliche Sitte ist und zwar besonders in Syrien, verziert glänzendsten Juwelen bestückt waren. Ferner war ein Weinkrug dabei, eine Schöpfkelle, die aus einem sehr großen Stein ausgehöhlt, mit goldenem Griff. Über diese Schöpfkelle habt ihr, wie ich glaube, einen hinlänglich gewichtigen Zeugen, den Quintus Minucius, schon genug Passendes sagen gehört.


63. Kapitel


[63] Iste unum quodque vas in manus sumere, laudare, mirari: Rex gaudere praetori populi Romani satis iucundum et gratum illud esse convivium. Posteaquam inde discessum est, cogitare nihil iste aliud, quod ipsa res declaravit, nisi quem ad modum regem ex provincia spoliatum expilatumque dimitteret. Mittit rogatum vasa ea, quae pulcherrima apud eum viderat; ait se suis caelatoribus velle ostendere. Rex, qui illum non nosset, sine ulla suspicione libentissime dedit. Mittit etiam trullam gemmeam rogatum; velle se eam diligentius considerare. Ea quoque ei mittitur.


[63] Der da nahm jedes einzelne Gefäß in seine Hände, preiste es, bewunderte es: Der König freute sich, dass jenes Gastmahl für einen Prätor des römischen Volkes genügend angenehm und gefällig war. Nachdem man von dort weggegangen war, plante dieser da nichts anderes – was die Sache selbst gezeigt hat – außer wie er den König, nachdem er ihn beraubt und ausgeplündert hätte, aus der Provinz fortschicken könnte. Er entsandte jemanden, um nach jenen schönsten Vasen zu fragen, die er bei ihm gesehen hatte; er sagte, er wolle sie seinen Ziseleuren zeigen. Der König, der jenen ja nicht kannte, gab ihm ohne irgendeinen Verdacht und äußerst willig die Vasen. Er ließ auch nach der Schöpfkelle aus Edelsteinen fragen; er wolle sie gründlich in Augenschein nehmen. Auch diese schickte er ihm.


64. Kapitel


[64] Nunc reliquum, iudices, attendite, de quo et vos audistis et populus Romanus non nunc primum audiet et in exteris nationibus usque ad ultimas terras pervagatum est. Candelabrum e gemmis clarissimis opere mirabili perfectum reges ii, quos dico, Romam cum attulissent, ut in Capitolio ponerent, quod nondum perfectum templum offenderant, neque ponere potuerunt neque vulgo ostendere ac proferre voluerunt, ut et magnificentius videretur, cum suo tempore in cella Iovis optimi maximi poneretur, et clarius, cum pulchritudo eius recens ad oculos hominum atque integra perveniret: statuerunt id secum in Syriam reportare, ut, cum audissent simulacrum Iovis optimi maximi dedicatum, legatos mitterent, qui cum ceteris rebus illud quoque eximium ac pulcherrimum donum in Capitolium adferrent.


[64] Jetzt, ihr Richter, richtet eure Aufmerksamkeit auf das Übrige, von dem sowohl ihr gehört habt als auch das römische Volk nicht zum ersten Mal hören wird und was bei ausländischen Völkern bis zu den entferntesten Ländern bekannt wurde. Nachdem diejenigen Könige, von denen ich spreche, einen Leuchter aus schönsten Juwelen, mit bewundernswerter Kunstfertigkeit hergestellt, nach Rom gebracht hatten, um ihn auf dem Kapitol aufzustellen, konnten sie ihn, weil sie den Tempel noch unvollendet vorfanden, weder aufstellen noch wollten sie ihn vor aller Augen zeigen und vorführen, damit er sowohl prächtiger scheinen könne, wenn er zur rechten Zeit in der Kammer des allmächtigen Juppiter aufgestellt würde, als auch glänzender, wenn seine Schönheit frisch und unangetastet vor die Augen der Menschen gelange. Sie beschlossen, den Leuchter wieder mit sich nach Syrien zu nehmen, um – sobald sie vernommen hätten, dass das Bildnis des allmächtigen Juppiter eingeweiht worden sei – Gesandte zu schicken, die samt übrigen Sachen auch jenes besondere und sehr schöne Geschenk zum Kapitol bringen sollten.


65. Kapitel


[65] Pervenit res ad istius auris nescio quo modo; nam rex id celatum voluerat, non quo quicquam metueret aut suspicaretur, sed ut ne multi illud ante praeciperent oculis quam populus Romanus. Iste petit a rege et eum pluribus verbis rogat, ut id ad se mittat; cupere se dicit inspicere neque se aliis videndi potestatem esse facturum. Antiochus, qui animo et puerili esset et regio, nihil de istius improbitate suspicatus est; imperat suis, ut id in praetorium involutum quam occultissime deferrent. Quo posteaquam attulerunt involucrisque reiectis constituerunt, clamare iste coepit dignam rem esse regno Syriae, dignam regio munere, dignam Capitolio. Etenim erat eo splendore, qui ex clarissimis et pulcherrimis gemmis esse debebat, ea varietate operum, ut ars certare videretur cum copia, ea magnitudine, ut intellegi posset non ad hominum apparatum sed ad amplissimi templi ornatum esse factum. Cum satis iam perspexisse videretur, tollere incipiunt ut referrent. Iste ait se velle illud etiam atque etiam considerare; nequaquam se esse satiatum; iubet illos discedere et candelabrum relinquere. Sic illi tum inanes ad Antiochum revertuntur.


[65] Irgendwie gelangte die Sache zu den Ohren des Verres; denn der König hatte eigentlich gewollt, dass dies geheim bleibt, nicht weil er irgendetwas fürchtete oder verdächtigte, sondern damit es nicht viele früher mit ihren Augen sehen als das römische Volk. Dieser bat den König inständig, den Leuchter zu ihm zu schicken; er sagte, er wünsche sich, ihn in Augenschein zu nehmen und werde anderen Leuten nicht die Erlaubnis geben ihn anzusehen. Weil Antiochus teils von kindlichen, teils von königlichem Verstand war, ahnte nichts von dessen Schlechtigkeit; er beauftragte seine Leute, den Leuchter so geheim wie möglich in Verres‘ dunkle Amtswohnung zu schaffen. Nachdem sie ihn dort hingebracht, ihn aufgestellt und die Decken entfernt hatten, fing dieser da an zu schreien, dass die Sache des Königreichs Syrien, eines königlichen Geschenks und des Kapitols würdig sei. In der Tat war es von einen solchen Glanz, wie es etwas aus den glänzendsten und schönsten Edelsteinen haben musste, von einer solchen Vielfalt der Arbeiten, dass Kunst mit der Fülle an Material wettzueifern schien, von einer solchen Größe, dass man ersehen musste, dass es nicht für den Prunk von Menschen, sondern für den Schmuck eines sehr großen Tempels hergestellt worden war. Als Verres den Eindruck machte, sich den Leuchter schon genug angesehen zu haben, machten sich Antiochus‘ Diener daran, den Leuchter hochzuheben, um ihn zurückzubringen. Dieser sagte, er wolle jenen wieder und wieder betrachten; er sei keineswegs gesättigt worden; er hieß jene Diener wegzugehen und den Leuchter stehen zu lassen. So kehrten jene dann mit leeren Händen zu Antiochus zurück.


66. Kapitel


[66] Rex primo nihil metuere, nihil suspicari; dies unus, alter, plures; non referri. Tum mittit, si videatur, ut reddat. iubet iste posterius ad se reverti. Mirum illi videri; mittit iterum; non redditur. Ipse hominem appellat, rogat, ut reddat. Os hominis insignemque impudentiam cognoscite. Quod sciret, quod ex ipso rege audisset in Capitolio esse ponendum, quod Iovi optimo maximo, quod populo Romano servari videret, id sibi ut donaret, rogare et vehementissime petere coepit. Cum ille se et religione Iovis Capitolini et hominum existimatione impediri diceret, quod multae nationes testes essent illius operis ac muneris, iste homini minari acerrime coepit. Ubi videt eum nihilo magis minis quam precibus permoveri, repente hominem de provincia iubet ante noctem decedere; ait se comperisse ex eius regno piratas ad Siciliam esse venturos.


[66] Zunächst fürchtete der König nichts, hatte keinen Verdacht; ein Tag verging, ein zweiter, mehrere; der Leuchter wurde nicht zurückgebracht. Dann sandte er einen Diener, der Verres bitten sollte, den Leuchter zurückzugeben, wenn es ihm denn belieben sollte. Verres befahl dem Diener, später zu ihm zurückzukehren. Jenem schien die Sache sonderbar; er sandte wieder einen Diener los; Verres gab den Leuchter nicht zurück. Er sprach den Mann persönlich an, bat ihn, den Leuchter zurückzugeben. Erkennt die Dreistigkeit und die hervorstechende Schamlosigkeit des Mannes. Er fing an zu fragen und sehr energisch darum zu bitten, dass er ihm den Leuchter schenke, den er kannte, über den er vom König selbst gehört hatte, dass er auf dem Kapitol aufgestellt werden sollte, von dem er sah, dass er für den allmächtigen Juppiter, für das römische Volk aufbewahrt wurde. Als jener sagte, er werde durch seine Gottesfurcht vor dem kapitolinischen Juppiter und durch die Meinung der Leute davon abgehalten, weil viele Völker von jenem Werk und Geschenk wussten, fing Verres an, äußerst harsch zu drohen. Sowie er sah, dass Antiochus durch seine Drohungen genauso wenig wie durch seine Bitten bewegt wurde, befahl er dem Mann plötzlich, von der Provinz vor Anbruch der Nacht abzuziehen; er sagte, er habe sichere Nachricht davon erhalten, dass aus dessen Königreich Piraten nach Sizilien kommen würden.


67. Kapitel


[67] Rex maximo conventu Syracusis in foro, ne quis forte me in crimine obscuro versari atque adfingere aliquid suspicione hominum arbitretur,—in foro, inquam, Syracusis flens ac deos hominesque contestans clamare coepit candelabrum factum e gemmis, quod in Capitolium missurus esset, quod in templo clarissimo populo Romano monumentum suae societatis amicitiaeque esse voluisset, id sibi C. Verrem abstulisse; de ceteris operibus ex auro et gemmis, quae sua penes illum essent, se non laborare – hoc sibi eripi miserum esse et indignum. Id etsi antea iam mente et cogitatione sua fratrisque sui consecratum esset, tamen tum se in illo conventu civium Romanorum dare donare dicare consecrare Iovi Optimo Maximo, testemque ipsum Iovem suae voluntatis ac religionis adhibere. Quae vox, quae latera, quae vires huius unius criminis querimoniam possunt sustinere? Rex Antiochus, qui Romae ante oculos omnium nostrum biennium fere comitatu regio atque ornatu fuisset, is, cum amicus et socius populi Romani esset, amicissimo patre, avo, maioribus, antiquissimis et clarissimis regibus, opulentissimo et maximo regno, praeceps provincia populi Romani exturbatus est.


[67] Bei der größten Zusammenkunft in Syrakus, auf dem Forum – damit nicht irgendwer zufällig glaubt, dass ich mich hier mit einem unklaren Verbrechen beschäftige und irgendetwas anhand des Verdachts der Leute hinzudichte – auf dem Forum in Syrakus, sage ich, fing der König unter Tränen und Anrufung der Götter und Menschen an zu schreien, dass Verres ihm denjenigen aus Edelsteinen hergestellten Leuchter, den er zum Kapitol senden wollte, den er für das römische Volk als ein Denkmal seines Bündnisses und seiner Freundschaft mit diesem in den schönsten Tempel setzen wollte, gestohlen habe; es gehe ihm nicht um die übrigen Werke aus Gold und Edelsteinen, die als die Seinigen bei jenem waren – vielmehr sei es beklagenswert und schändlich, dass dieser Leuchter ihm entrissen werde. Auch wenn dieser schon früher in seines und seines Bruders Sinn und Gedanken als Weihgeschenk bestimmt worden sei, gebe, schenke, widme und weihe er ihn dennoch dann vor jener Zusammenkunft römischer Bürger dem allmächtigen Juppiter, und ziehe Juppiter persönlich als Zeugen seines Vorhabens und seiner Gottesfurcht hinzu. Welche Stimme, welche Lungen, welche Kräfte können die Klage über dieser eine Verbrechen ausdrücken? König Antiochus, der in Rom vor unser aller Augen zwei Jahre mit fast königlichem Gefolge und Schmuck gelebt hatte, dieser Mann wurde, obwohl er Freund und Verbündeter des römisches Volkes war, obwohl sein Vater, sein Onkel und seine Vorfahren, uralte und sehr berühmte Könige, beste Freunde des römisches Volks gewesen waren, obgleich er selbst ein äußerst reiches und äußerst große Königreich hatte, Hals über Kopf aus einer Provinz des römischen Volkes geschmissen.


68. Kapitel


[68] Quem ad modum hoc accepturas nationes exteras, quem ad modum huius tui facti famam in regna aliorum atque in ultimas terras perventuram putasti, cum audirent a praetore populi Romani in provincia violatum regem, spoliatum hospitem, eiectum socium populi Romani atque amicum? Nomen vestrum populique Romani odio atque acerbitati scitote nationibus exteris, iudices, futurum, si istius haec tanta iniuria impunita discesserit. Sic omnes arbitrabuntur, praesertim cum haec fama de nostrorum hominum avaritia et cupiditate percrebruerit, non istius solius hoc esse facinus, sed eorum etiam, qui adprobarint. Multi reges, multae liberae civitates, multi privati opulenti ac potentes habent profecto in animo Capitolium sic ornare, ut templi dignitas imperique nostri nomen desiderat; qui si intellexerint interverso hoc regali dono graviter vos tulisse, grata fore vobis populoque Romano sua studia ac dona arbitrabuntur; sin hoc vos in rege tam nobili, re tam eximia, iniuria tam acerba neglexisse audient, non erunt tam amentes, ut operam curam pecuniam impendant in eas res, quas vobis gratas fore non arbitrentur


[68] Wie hast du geglaubt, würden ausländische Völker dies aufnehmen, wie hast du geglaubt, werde das Gerede über diese deinigen Taten in Königreiche anderer und in entfernteste Länder gelangen, wenn die Leuten hören würden, dass ein König in einer Provinz des römischen Volkes von einer Prätor misshandelt, ein Gast ausgeraubt, ein Freund und Verbündeter des römischen Volkes fortgejagt worden sei? Ihr Richter sollt wissen, dass euer Name und der des römischen Volkes ausländischen Völkern zum Hass und zur Bitterkeit gereichen werden, wenn diese so massiven Unrechte des Verres ungestraft bleiben. So werden alle glauben – zumal sich ja das Gerede über die Habsucht und Gier unserer Leute weit verbreitet hat – dies sei kein Verbrechen von ihm allein, sondern auch eines all derer, die es hingenommen hätten. Viele Könige, viele freie Gemeinden, viele reiche und einflussreiche Privatleute haben in der Tat die Absicht, das Kapitol so zu schmücken, wie es die Würde des Tempels und der Name unseres Reiches verlangen; wenn diese erfahren sollten, dass ihr die Unterschlagung dieses königlichen Geschenks schwer ertragen habt, werden sie glauben, dass ihre Bemühungen und Geschenke euch und dem römischen Volk willkommen seien; wenn sie aber hören werden, dass dies bei einem so angesehenen König, bei einer so außerordentlichen Sache, bei einem so heftigen Unrecht ungeahndet dahingehen lasst, dann werden sie nicht so töricht sein, ihre Mühe, ihre Sorge und ihr Geld für diejenigen Sachen aufzuwenden, von denen sie glauben, dass sie euch nicht gefallen würden.


69. Kapitel


[69] Hoc loco, Q. Catule, te appello; loquor enim de tuo clarissimo pulcherrimoque monumento. Non iudicis solum severitatem in hoc crimine, sed prope inimici atque accusatoris vim suscipere debes. Tuus enim honos illo templo senatus populique Romani beneficio, tui nominis aeterna memoria simul cum templo illo consecratur; tibi haec cura suscipienda, tibi haec opera sumenda est, ut Capitolium, quem ad modum magnificentius est restitutum, sic copiosius ornatum sit quam fuit, ut illa flamma divinitus exstitisse videatur, non quae deleret Iovis optimi maximi templum, sed quae praeclarius magnificentiusque deposceret.


[69] An dieser Stelle, wende ich mich an dich, Quintus Catulus; denn ich spreche über dein höchstberühmtes und äußerst schönes Denkmal. Du musst nicht nur die Strenge der Richter in diesem Verbrechen, sondern etwas wie die Gewalttätigkeit eines Feindes und Anklägers auf dich nehmen. Durch Einfluss des Senats und des römischen Volkes wird deine Ehre nämlich jenem Tempel zugeschrieben. Die ewige Erinnerung an deinen Namen wird zusammen mit jenem Tempel unsterblich gemacht; du musst dafür sorgen, du musste diese Mühe aufwenden, damit das Kapitol so, wie es prächtiger wiederhergestellt worden ist, reicher geschmückt sei als es war; damit jenes Feuer durch göttliche Fügung entstanden zu sein scheint, nicht um den Tempel des allmächtigen Juppiters zu zerstören, sondern um einen herrlicheren und prächtigeren für ihn zu verlangen.


70. Kapitel


[70] Audisti Q. Minucium dicere domi suae deversatum esse Antiochum regem Syracusis; se illud scire ad istum esse delatum, se scire non redditum; audisti et audies omni e conventu Syracusano, qui ita dicant: sese audientibus illud Iovi optimo maximo dicatum esse ab rege Antiocho et consecratum. Si iudex non esses et haec ad te delata res esset, te potissimum hoc persequi, te petere, te agere oporteret. Quare non dubito, quo animo iudex huius criminis esse debeas, qui apud alium iudicem multo acrior, quam ego sum, actor accusatorque esse deberes.


[70] Du hast Quintus Minucius sagen gehört, dass König Antiochus in seinem Haus in Syrakus logiert habe; dass er wisse, dass jener Leuchter zu Verres weggeschafft und nicht zurückgegeben worden sei; du hast es gehört und du wirst es aus der ganzen syrakusanischen Gemeinde hören, deren Mitlgieder nämlich folgendes sagen: In ihrer Anwesenheit sei jener Leuchter von König Antiochus dem allmächtigen Juppiter gewidmet und geweiht worden. Wenn du kein Richter wärest und dir diese Sache vorgebracht worden wäre, müsstest insbesondere du dieser nachgehen, nach ihr trachten, sie betreiben. Darum zweifle ich nicht, wie du dich als Richter dieses Verbrechens fühlen musst, der du sonst als Sachwalter und Ankläger vor einem anderen Richter viel heftiger, als ich es bin, auftreten müsstest.


71. Kapitel


[71] vobis autem, iudices, quid hoc indignius aut quid minus ferendum videri potest? Verresne habebit domi suae candelabrum Iovis e gemmis auroque perfectum? Cuius fulgore conlucere atque inlustrari Iovis optimi maximi templum oportebat, id apud istum in eius modi conviviis constituetur, quae domesticis stupris flagitiisque flagrabunt? In istius lenonis turpissimi domo simul cum ceteris Chelidonis hereditariis ornamentis Capitoli ornamenta ponentur? Quid huic sacri umquam fore aut quid religiosi fuisse putatis, qui nunc tanto scelere se obstrictum esse non sentiat, qui in iudicium veniat, ubi ne precari quidem Iovem optimum maximum atque ab eo auxilium petere more omnium possit? A quo etiam di immortales sua repetunt in eo iudicio, quod hominibus ad suas res repetendas est constitutum. Miramur Athenis Minervam, Deli Apollinem, Iunonem Sami, Pergae Dianam, multos praeterea ab isto deos tota Asia Graeciaque violatos, qui a Capitolio manus abstinere non potuerit? Quod privati homines de suis pecuniis ornant ornaturique sunt, id C. Verres ab regibus ornari non passus est.


[71] Kann euch, ihr Richter, aber irgendetwas unwürdiger oder schwieriger zu ertragen scheinen als dies? Wird Verres den aus Juwelen und Gold gefertigten Leuchter des Juppiter in seinem Hause haben? Wird dieser Leuchter, durch dessen Glanz eigentlich der Tempel des allmächtigen Juppiters leuchten und strahlen müsste, bei diesem da auf solchen Gelagen aufgestellt werden, die vor häuslicher Unzucht und Schande nur so lodern werden? Werden beim unsagbar schändlichen Haus dieses Löwen da Schmuckstücke des Kapitols zusammen mit anderen, von seiner Chelidon geerbten, aufgestellt werden? Was glaubt ihr, wird einem solchen jemals heilig sein oder jemals heilig gewesen sein, der nicht einmal jetzt begreift, dass er mit einem so großen Verbrechen belastet wird, der vor Gericht kommt, wo er nicht einmal den allmächtigen Juppiter anbeten und ihn nach Manier aller um Hilfe zu bitten kann. Von diesem fordern sogar die unsterblichen Götter ihr Eigentum zurück, in dieser Gerichtsverhandlung, die für Menschen einberufen wurde, damit sie ihre Habseligkeiten zurückfordern können. Wundern wir uns, dass Minerva in Athen, Apollo auf Delos, Juno auf Samos, Diana auf Perga und überdies viele weitere Götter in Asien und Griechenland von diesem da geschändet worden sind, der seine Hände vom Kapitol nicht fernhalten konnte? Gaius Verres ließ nicht zu, dass dieses Kapitol, was Privatmänner auf eigene Kosten schmücken und schmücken wollen, von einem König geschmückt werde.


72. Kapitel


[72] Itaque hoc nefario scelere concepto nihil postea tota in Sicilia neque sacri neque religiosi duxit esse; ita sese in ea provincia per triennium gessit, ut ab isto non solum hominibus verum etiam dis immortalibus bellum indictum putaretur. Segesta est oppidum pervetus in Sicilia, iudices, quod ab Aenea fugiente a Troia atque in haec loca veniente conditum esse demonstrant. Itaque Segestani non solum perpetua societate atque amicitia, verum etiam cognatione se cum populo Romano coniunctos esse arbitrantur. Hoc quondam oppidum, cum illa civitas cum Poenis suo nomine ac sua sponte bellaret, a Carthaginiensibus vi captum atque deletum est, omniaque, quae ornamento urbi esse possent, Carthaginem sunt ex illo loco deportata. Fuit apud Segestanos ex aere Dianae simulacrum, cum summa atque antiquissima praeditum religione tum singulari opere artificioque perfectum. Hoc translatum Carthaginem locum tantum hominesque mutarat, religionem quidem pristinam conservabat; nam propter eximiam pulchritudinem etiam hostibus digna, quam sanctissime colerent, videbatur.


[72] Daher glaubte er, nachdem er dieses Verbrechen ersonnen hatte, dass hinterher auf ganz Sizilien nichts Ehrwürdiges oder Heiliges vorhanden sei; er verhielt sich in dieser Provinz drei Jahre lang so, dass man glaubte, er habe nicht nur den Menschen, sondern auch den unsterblichen Göttern den Krieg erklärt. Segesta ist eine sehr alte Stadt auf Sizilien, ihr Richter, die von Aeneas, als er von Troja floh und in dieses Gebiet kam, gegründet worden sein soll. Deshalb sind die Segestaner der Meinung, nicht nur durch ein ewiges Freundschaftsbündnis, sondern auch durch gemeinsame Abstammung mit dem römischen Volk verbunden zu sein. Diese Stadt wurde, als jene Bürgerschaft mit den Karthagern in ihrem Namen und aus eigenem Antrieb Krieg führte, von den Karthagern gewaltsam eingenommen und zerstört; und alles, was der Stadt zur Zierde hätte gereichen können, wurde von jenem Ort nach Karthago deportiert. Bei den Segestanern gab es ein Bildnis der Diana aus Bronze, nicht nur mit sehr großer und uralter Heiligkeit behaftet, sondern auch mit einzigartiger Kunstfertigkeit hergestellt. Nachdem dies nach Karthago geschafft worden war, hatte es nur Ort und Menschen gewechselt, seine vormalige Heiligkeit behielt es jedoch; denn wegen ihrer außerordentlichen Schönheit schien sie auch den Feinden würdig, höchst gewissenhaft verehrt zu werden.


73. Kapitel


[73] Aliquot saeculis post P. Scipio bello Punico tertio Carthaginem cepit; qua in victoria - videte hominis virtutem et diligentiam, ut et domesticis praeclarissimae virtutis exemplis gaudeatis et eo maiore odio dignam istius incredibilem audaciam iudicetis - convocatis Siculis omnibus, quod diutissime saepissimeque Siciliam vexatam a Carthaginiensibus esse cognorat, iubet omnia conquiri; pollicetur sibi magnae curae fore, ut omnia civitatibus, quae cuiusque fuissent, restituerentur. tum illa, quae quondam erant Himera sublata, de quibus antea dixi, Thermitanis sunt reddita, tum alia Gelensibus, alia Agrigentinis, in quibus etiam ille nobilis taurus, quem crudelissimus omnium tyrannorum Phalaris habuisse dicitur, quo vivos supplici causa demittere homines et subicere flammam solebat. Quem taurum cum Scipio redderet Agrigentinis, dixisse dicitur aequum esse illos cogitare, utrum esset Agrigentinis utilius suisne servire anne populo Romano obtemperare, cum idem monumentum et domesticae crudelitatis et nostrae mansuetudinis haberent.


[73] Einige Jahrhunderte später nahm Publius Scipio im dritten punischen Krieg Karthago ein; nach diesem Sieg – seht die Tugendhaftigkeit und Sorgfalt des Mannes, damit ihr euch sowohl an einheimischen Beispielen vortrefflichster Tugend erfreuen könnt als auch der Meinung seid, dass die unglaubliche Frechheit dessen da desto größeren Hass verdient – rief er alle Sizilier zusammen, weil er wusste, dass sie am längsten und am häufigsten von den Karthagern misshandelt worden waren, und befahl ihnen, alles zusammenzusuchen; er versprach, große Sorge dafür zu tragen, dass den Gemeinden alles, was jede einzelne besessen hatte, wiedergebracht werde. Darauf wurden jene Dinge, die einst von Himera weggeschafft worden waren – über die ich vorhin sprach – den Thermitaner zurückgegeben, dann andere Dinge den Gelanern, wieder andere den Agrigentinern – darunter auch jener berühmte Stier, den der grausamste aller Tyrannen besessen haben soll. In diesen pflegte er Menschen zur Todesstrafe bei lebendigem Leib einzusperren und Feuer darunter zu legen. Als Scipio diesen Stier den Agrigentinern zurückgab, soll er gesagt haben, es sei billig und recht, dass jene darüber nachdächten, ob es für sie vorteilhafter sei, den Ihrigen zu dienen oder dem römischen Volk zu gehorchen, weil sie denselben Gegenstand als Denkmal der Grausamkeit gegen ihre Mitbürger und als Denkmal unserer Milde besäßen.


74. Kapitel


[74] Illo tempore Segestanis maxima cum cura haec ipsa Diana, de qua dicimus, redditur; reportatur Segestam; in suis antiquis sedibus summa cum gratulatione civium et laetitia reponitur. Haec erat posita Segestae sane excelsa in basi, in qua grandibus litteris P. Africani nomen erat incisum eumque Carthagine capta restituisse perscriptum. Colebatur a civibus, ab omnibus advenis visebatur; cum quaestor essem, nihil mihi ab illis est demonstratum prius. Erat admodum amplum et excelsum signum cum stola; verum tamen inerat in illa magnitudine aetas atque habitus virginalis; sagittae pendebant ab umero, sinistra manu retinebat arcum, dextra ardentem facem praeferebat.


[74] In jener Zeit wurde ebendiese Diana, von der ich spreche, mit größter Sorgfalt den Segestanern wiedergegeben; sie wurde nach Segesta zurückgebracht; unter größter Dankbezeigung und Freude der Bürger stellte man sie auf ihre einstige Stätte. Diese war in Segesta auf einem durchaus erhabenen Sockel aufgestellt worden, in den man mit großene Buchstaben den Namen des Publius Africanus eingemeißelt und geschrieben hatte, dass dieser sie nach der Erorberung Karthagos wieder zurückgebracht habe. Sie wurde stets von den Bürgern verehrt, von allen Reisenden besichtigt; als ich Quästor war, zeigten sie mir jene Statue als allererstes. Es handelte sich um eine sehr ansehnliche und erhabene Statue mit einer Stola; aber dennoch wohnte jener Größe ein jungfräuliches Alter und Aussehen bei; Pfeile hingen von ihrer Schulter herab, in der linken Hand hielt sie einen Bogen, in der rechten hielt sie eine brennende Fackel vor sich.


75. Kapitel


[75] Hanc cum iste sacrorum omnium et religionum hostis praedoque vidisset, quasi illa ipsa face percussus esset, ita flagrare cupiditate atque amentia coepit. Imperat magistratibus, ut eam demoliantur et sibi dent; nihil sibi gratius ostendit futurum. Illi vero dicere sibi id nefas esse, seseque cum summa religione tum summo metu legum et iudiciorum teneri. Iste tum petere ab illis, tum minari, tum spem, tum metum ostendere. Opponebant illi nomen interdum P. Africani; populi Romani illud esse dicebant; nihil se in eo potestatis habere, quod imperator clarissimus urbe hostium capta monumentum victoriae populi Romani esse voluisset.


[75] Nachdem dieser Feind und Räuber aller geweihten und heiligen Gegenstände diese Statue gesehen hatte, fing er vor Gier und Wahnsinn so zu lodern, als wäre er durch ebenjene Fackel angesteckt worden. Den Beamten befahl er, diese abzubauen und ihm zu geben; er legte ihnen dar, dass ihm nichts lieber sein werde. Jene aber sagten, dass es ihnen nicht möglich sei, und sie sowohl durch höchste Gottesfurcht als auch durch größten Respekt vor Gesetzen und Gerichten zurückgehalten würden. Dann verlangte er es von jenen, dann drohte er, dann flößte er ihnen Hoffnung, dann Furcht ein. Sie setztem ihm den Namen des Publius Africanus entgegen; sie sagten, jene Statue sei Eigentum des römisches Volkes; sie hätten keine Befugnis in etwas, was ein sehr angesehener Feldherr nach der Eroberung der Stadt des Feindes als Siegesdenkmal des römischen Volkes gewollt habe.


76. Kapitel


[76] Cum iste nihilo remissius atque etiam multo vehementius instaret cotidie, res agitur in senatu: vehementer ab omnibus reclamatur. Itaque illo tempore ac primo istius adventu pernegatur. Postea, quidquid erat oneris in nautis remigibusque exigendis, in frumento imperando, Segestanis praeter ceteros imponebat, aliquanto amplius, quam ferre possent. Praeterea magistratus eorum evocabat, optimum quemque et nobilissimum ad se arcessebat, circum omnia provinciae fora rapiebat, singillatim uni cuique calamitati fore se denuntiabat, universis se funditus eversurum esse illam civitatem minabatur. Itaque aliquando multis malis magnoque metu victi Segestani praetoris imperio parendum esse decreverunt. Magno cum luctu et gemitu totius civitatis, multis cum lacrimis et lamentationibus virorum mulierumque omnium simulacrum Dianae tollendum locatur.


[76] Als dieser kein bisschen nachließ und täglich noch viel energischer drängte, wurde die Angelegenheit im Senat verhandelt: es wurde heftig von allen reklamiert. Deshalb verweigerte man diesem da zu jener Zeit, bei dessen erster Ankunft, die Statue. Daraufhin erlegte er den Segestanern vor den übrigen Städten jede Last auf, die es in Hinblick auf die Einforderung von Matrosen und Ruderern und auf die Stellung von Getreide gab – bedeutend mehr als sie hätten leisten können. Außerdem lud er deren Beamte vor, die besten und angesehensten Bürger rief er zu sich, schleifte sie auf allen Foren der Provinz umher, erklärte, dass er jedem einzelnen Unheil bringen werde, drohte sämtlichen Bürgern, dass er ihre Stadt dem Erdboden gleich machen werde.Durch viele Übeltaten und große Furcht zum Nachgeben gebracht, beschlossen die Segestaner daher irgendwann, dem Befehl des Prätors zu gehorchen. Unter großer Trauer und dem Heulen der ganzen Stadt, unter vielen Tränen und Klageworten aller Männer und Frauen wird die Dianastatue zum Abtransport hingestellt.


77. Kapitel


[77] Videte, quanta religio fuerit apud Segestanos. repertum esse, iudices, scitote neminem, neque liberum neque servum, neque civem neque peregrinum, qui illud signum auderet attingere; barbaros quosdam Lilybaeo scitote adductos esse operarios; ii denique illud ignari totius negoti ac religionis mercede accepta sustulerunt. Quod cum ex oppido exportabatur, quem conventum mulierum factum esse arbitramini, quem fletum maiorum natu? Quorum non nulli etiam illum diem memoria tenebant cum illa eadem Diana Segestam Carthagine revecta victoriam populi Romani reditu suo nuntiasset. Quam dissimilis hic dies illi tempori videbatur! Tum imperator populi Romani, vir clarissimus, deos patrios reportabat Segestanis ex urbe hostium recuperatos: Nunc ex urbe sociorum praetor eiusdem populi turpissimus atque impurissimus eosdem illos deos nefario scelere auferebat. Quid hoc tota Sicilia est clarius, quam omnis Segestae matronas et virgines convenisse, cum Diana exportaretur ex oppido, unxisse unguentis, complesse coronis et floribus, ture, odoribus incensis usque ad agri finis prosecutas esse?


[77] Seht, wie groß die Gottesfurcht bei den Segestanern gewesen ist, wisset, ihr Richter, dass es niemanden gibt, weder einen freien noch einen Sklaven, weder einen Bürger noch einen Fremden, der es wagen würde, jene Statue anzurühren; wisset, dass gewisse barbarische Arbeiter von Lilybaeum herbeigeholt worden sind; ohne von der ganzen Angelegenheit und der religiösen Verehrung der Statue etwas zu wissen, schafften sie jene gegen Bezahlung schließlich weg. Als sie diese aus der Stadt trugen, was glaubt ihr wohl, was es da für eine Zusammenkunft der Frauen, was für ein Geweine der Älteren gegeben hat. Manche von ihnen erinnerten sich sogar an jenen Tag, als ebenjene Diana, nachdem man sie aus Karthago nach Segesta zurückgefahren hatte, durch ihre Ankunft den Sieg des römischen Volkes verkündet hatte. Wie ungleich dieser Tag jener Zeit schien! Damals brachte ein Feldherr des römischen Volkes, ein höchst angesehener Mann, den Segestanern die väterlichen Götter zurück, nachdem er sie aus der Stadt der Feinde wiedererlangt hatte: Jetzt entwendete ein äußerst schändlicher und höchst sittenloser Prätor desselben Volkes ebenjene Götter aus der Stadt unserer Verbündeten durch ein frevelhaftes Verbrechen. Was auf ganz Sizilien ist bekannter als dieses, nämlich als dass sich alle Frauen und Mädchen Segestas versammelt haben, als Diana aus der Stadt transportiert wurde, dass sie diese mit Salböl bestrichen, mit Blumenkränzen bestückt, mit Weihrauch und entzünden Düften bis zur Grenze ihres Gebiets begleitet haben?


78. Kapitel


[78] Hanc tu tantam religionem si tum in imperio propter cupiditatem atque audaciam non pertimescebas, ne nunc quidem in tanto tuo liberorumque tuorum periculo perhorrescis? Quem tibi aut hominem invitis dis immortalibus aut vero deum tantis eorum religionibus violatis auxilio futurum putas? Tibi illa Diana in pace atque in otio religionem nullam attulit? Quae cum duas urbis in quibus locata fuerat captas incensasque vidisset, bis ex duorum bellorum flamma ferroque servata est; quae Carthaginiensium victoria loco mutato religionem tamen non amisit, P. Africani virtute religionem simul cum loco recuperavit. Quo quidem scelere suscepto cum inanis esset basis et in ea P. Africani nomen incisum, res indigna atque intoleranda videbatur omnibus non solum religiones esse violatas, verum etiam P. Africani, viri fortissimi, rerum gestarum gloriam, memoriam virtutis, monumenta victoriae C. Verrem sustulisse.


[78] Wenn du diese so große Religiosität damals während deiner Herrschaft wegen deiner Gier und Dreistigkeit nicht gefürchtet hast, wirst du dann nicht einmal jetzt bei so massiver Gefahr für dich und deine Kinder mit Schauder erfüllt? Welcher Mensch, glaubst du, wird dir gegen den Willen der Götter helfen oder aber welcher Gott, nachdem du deren religiöse Verehrung mit Füßen getreten hast? Hat dir jene Diana in Frieden und Muße keine Gottesfurcht eingeflößt? Obwohl diese die Einnahme und Inbrandsetzung zweier Städte, in denen sie aufgestellt gewesen war, gesehen hatte, wurde sie zweimal vor Flamme und Schwert zweier Kriege gerettet; diese hat nach dem Sieg der Karthager trotz des Ortswechsels dennoch ihre Heiligkeit nicht verloren, erlangte dank der Tapferkeit des Publius Africanus ihre religiöse Verehrung zeitgleich mit ihrem alten Platz zurück. Als nach diesem Verbrechen jedoch der Sockel leer war, darin der Name Publius Africanus eingemeißelt, schien allen die Angelegenheit empörend und unerträglich zu sein, dass Gaius Verres nämlich nicht nur die religiösen Gefühle verletzt, sondern auch den Ruhm der Taten des Publius Africanus, eines höchst mutigen Mannes, das Andenken an seine Tapferkeit und das Denkmal seines Sieges entfernt habe.


79. Kapitel


[79] Quod cum isti renuntiaretur de basi ac litteris, existimavit homines in oblivionem totius negoti esse venturos, si etiam basim tamquam indicem sui sceleris sustulisset. Itaque tollendam istius imperio locaverunt; quae vobis locatio ex publicis litteris Segestanorum priore actione recitata est. Te nunc, P. Scipio, te, inquam, lectissimum ornatissimumque adulescentem, appello, abs te officium tuum debitum generi et nomini requiro et flagito. Cur pro isto, qui laudem honoremque familiae vestrae depeculatus est, pugnas, cur eum defensum esse vis, cur ego tuas partis suscipio, cur tuum munus sustineo, cur M. Tullius P. Africani monumenta requirit, P. Scipio eum, qui illa sustulit, defendit? Cum mos a maioribus traditus sit, ut monumenta maiorum ita suorum quisque defendat, ut ea ne ornari quidem nomine aliorum sinat, tu isti aderis, qui non obstruxit aliqua ex parte monumento P. Scipionis, sed id funditus delevit ac sustulit?


[79] Als diesem da über den Sockel und die Buchstaben berichtet wurden, glaubte er, die Menschen würden die ganze Angelegenheit vergessen, wenn er auch den Sockel, der gleichsam als Beweis seines Verbrechens fungierte, wegnähme. Deshalb ordnete man auf dessen Befehl an, den Sockel wegzuschaffen; diese Anordnung wurde euch aus den öffentlichen Dokumenten der Segestaner in der ersten Verhandlung vorgelesen. An dich wende ich mich jetzt, Publius Scipio, an dich, sage ich, den vortrefflichsten und ehrenvollsten jungen Mann; von dir fordere und verlange ich die Pflicht, die du deinem Geschlecht und deinem Namen schuldest. Warum kämpfst du für diesen da, der Ruhm und Ehre eurer Familie geraubt hat, warum willst du eine Verteidigung für ihn, warum spiele ich deine Rolle, warum nehme ich deine Pflicht auf mich, warum stellt ein Marcus Tullius Nachforschungen über Denkmale des Publius Africanus an, verteidigt ein Publius Scipio denjenigen, der jene entfernt hat? Obwohl es nach der Sitte der Vorfahren überliefert ist, dass jeder die Denkmäler seiner Vorfahren so schützen soll, dass er sie nicht einmal durch jemanden anderen Namens schmücken lässt, hilfst du diesem da, der ein Denkmal des Publius Scipio nicht zu Teilen zugebaut hat, sondern dieses von Grund auf zerstört und beseitigt hat?


80. Kapitel


[80] Quisnam igitur, per deos immortalis, tuebitur P. Scipionis memoriam mortui, quis monumenta atque indicia virtutis, si tu ea relinques aut deseres, nec solum spoliata illa patieris sed etiam eorum spoliatorem vexatoremque defendes? Adsunt Segestani, clientes tui, socii populi Romani atque amici; certiorem te faciunt P. Africanum Carthagine deleta simulacrum Dianae maioribus suis restituisse, idque apud Segestanos eius imperatoris nomine positum ac dedicatum fuisse; hoc Verrem demoliendum et asportandum nomenque omnino P. Scipionis delendum tollendumque curasse; orant te atque obsecrant, ut sibi religionem, generi tuo laudem gloriamque restituas, ut, quod per P. Africanum ex urbe hostium recuperarint, id per te ex praedonis domo conservare possint.
Quid aut tu his respondere honeste potes aut illi facere, nisi ut te ac fidem tuam implorent? Adsunt et implorant. Potes domesticae laudis amplitudinem, Scipio, tueri, potes; omnia sunt in te, quae aut fortuna hominibus aut natura largitur; non praecerpo fructum offici tui, non alienam mihi laudem appeto, non est pudoris mei P. Scipione, florentissimo adulescente, vivo et incolumi me propugnatorem monumentorum P. Scipionis defensoremque profiteri.


[80] Wer wird denn also, bei den unsterblichen Göttern, das Andenken an den toten Publius Scipio bewahren, wer die Denkmäler und Beweise seiner Tapferkeit, wenn du sie vernachlässigsen und im Stich lassen wirst, und nicht nur ihren Raub hinnehmen, sondern auch ihren Räuber und Schänder verteidigen wirst? Die Segestaner sind da, deine Schutzbefohlenen, Verbündete und Freunde des römischen Volkes; sie berichten dir, dass Publius Africanus nach der Zerstörung Karthagos ihren Vorfahren das Bildnis der Diana zurückgegeben hat, und dass dieses bei den Segestanern mit dem Namen dieses Feldherrn aufgestellt und geweiht worden ist; dass Verres für deren Abbau und Wegtransport sowie die völlige Vernichtung und Beseitigung des Namens Publius Scipio gesorgt habe; sie bitten und beschwören dich, dass du ihnen den Gegenstand ihrer religiösen Verehrung, deinem Geschlecht Ruhm und Ehre wiederbringst, um das, was sie durch Publius Africanus aus der Stadt des Feindes wiedererlangt hätten, durch dich aus dem Haus des Räubers retten zu können.
Was kannst entweder du diesen ehrenhaft antworteten oder jene machen, außer von dir Pflichttreue zu erflehen? Sie sind da und sie flehen dich an. Du, Scipio, kannst die Größe deines Familienruhmes, bewahren, ja du kannst es; in dir vereinigt sich alles, was entweder das Schicksal oder die Natur den Menschen geschenkt hat; ich ernte nicht den Ertrag deiner Pflicht, trachte nicht nach fremdem Ruhm und es gehört nicht zu meiner Ehrenhaftigkeit, mich als Verteidiger und Verfechter der Denkmaler des Publius Scipio zu erklären, wenn ein Publius Scipio, in der Blüte seiner Jugend, lebendig und unversehrt ist.




Anmerkungen und Hilfen



[61]

Selenen : griechischer Akkusativ von σελήνη


[62]

Hic Verres hereditatem sibi venisse arbitratus est : spottend aufzufassen „da glaubte Verres doch tatsächlich, auch ihm falle eine Erbschaft zu.“

quem iste et audierat multa secum praeclara habere et suspicabatur : relativische Verschränkung durch AcI; dips. quem iste et audierat et suspicabatur multa secum praeclara habere.

olei, vini, quod visum est, etiam tritici […] : partitive Genitive, die von einem sinngemäß zu ergänzenden Pronomen (id) abhängen; der ganze Ausdruck ist appositiv zu munera aufzufassen; hinter quod ist ei zu ergänzen.

omnibus curat rebus instructum et paratum ut sit convivium : disp. curat, ut omnibus rebus instructum et paratum sit convivium ; historisches Präsens, daher auch im finalen Objektsatz Konjunktiv Präsens – kein Perfekt, denn instructum und paratum werden hier adjektivisch gebraucht; omnibus rebus ist der dazugehörige Ablativus instrumenti.


[63]

praetori […] iucundum […] gratum : Dativus respectus

Mittit rogatum : Das Objekt fehlt (einen Boten, Sklaven); rogatum ist ein Supinum.

qui illum non nosset : (= novisset) kausaler Nebensinn; resultatives Verb (Präteritopräsenz)

velle se eam diligentius considerare : Verres‘ Worte, die er dem Boten an den Syrerkönig mitgegeben hat und nun von Cicero indirekt widergegeben werden.


[64]

reliquum […], de quo […] et […] pervagatum est : Das Relativpronomen quod nach et, das sinngemäß von pervagatum est („es schweifte überall herum“) gefordert wird, wurde ausgelassen.

cum suo tempore in cella Iovis optimi maximi poneretur : Wie auch der nächste temporal-konditionale cum-Satz mit Konjunktiv statt Indikativ, weil es die Ansicht der Syrerkönige ist.


[65]

nihil de istius improbitate : Umschreibung für den partitiven Genitiv

dignam rem esse regno Syriae, dignam regio munere, dignam Capitolio : dignus (einer Sache oder Person würdig) mit Ablativ

erat eo splendore […] ea varietate operum […] ea magnitudine : prädikativeAblativi qualitatis

eo splendore, qui ex clarissimis et pulcherrimis gemmis esse debebat : eigentlich „von demjenigen Glanz, der aufgrund der glänzendsten und schönsten Edelsteine vorhanden sein musste“

inanes […] revertuntur : prädikativ „als leere”


[66]

metuere […] suspicari […] referri : historische Infinitive

mittit : mittere + ut = „(einen Boten / Diener) schicken (und ihn bitten lassen), dass“

Os : „das Gesicht“, metaphorisch für den (negativen) Charakter eines Menschen

hominum existimatione : Sinn: er wollte bei den römischen Bürgern gut darstehen und sich seinen Ruf nicht versauen.


[67]

missurus esset : als Prädikatsnomen gebrauchtes PFA „er war im Begriffe zu senden“

populo Romano : Dativus commode

consecratum esset : Aufgrund der oratio obliqua hier Konj. Plusquamperfekt zur Vorzeitigkeit in Bezug auf (clamare) coepit; also kein Irrealis der Vergangenheit!

amicissimo patre, avo, maioribus, antiquissimis et clarissimis regibus, opulentissimo et maximo regno : konzessive Ablativi Absoluti, wobei antiquissimis et clarissimis regibus eine Apposition zu den maioribus darstellt.

praeceps : prädikativ


[68]

cum audirent : temporal; obliquus; gleichzeitig zur übergeordneten Handlung (Futur), richtet sich von der c.t. her allerdings nach putasti, da der Nebensatz in infinitivischer Abhängigkeit steht.

qui adprobarint : In konjunktivischen Nebensätzen (hier con. obliquus) steht der Konj. Perfekt als Ersatz des Futur II.

intellexerint : coniunctivus potentialis

interverso hoc regali dono graviter vos tulisse : eigentlich ein Ablativus absolutes, d.h. „nachdem man dieses königliche Geschenk unterschlagen hatte, ertrugen sie es schwer“.


[69]

non quae deleret Iovis optimi maximi templum, sed quae praeclarius magnificentiusque deposceret. : finaler Nebensinn („nicht damit die Flamme zerstört, sondern…“); der Konjunktiv Imperfekt steht aufgrund des vorangegangen exstitisse, um zu diesem Gleichzeitigkeit (bzw. Nachzeitigkeit) auszudrücken; praeclarius magnificentiusque add. templum

domi suae : [suae = Q. Minucii] Im AcI steht das Reflexivum bei Rückbezug auf das den AcI einleitende Subjekt .

qui ita dicant : kausal nuancierter Relativsatz

sese audientibus : Ablativus absolutus („als sie hörten“); sese ist Abl. Pl. und bezieht sich auf die Menschen aus Syrakus zurück, die den AcI einleiten


[70]

illud : add. candelabrum

quo animo : Ablativus qualitatis als Prädikatsnomen zu esse

deberes : Irrealis der Gegenwart


[71]

Cuius fulgore : Nicht das Interrogativpronomen, sondern das Relativum zu id (sc. candelabrum)

oportebat : Modusdifferenz zwischen Lateinischem und Deutschem

Chelidonis : Chelidon, onis, f., eine Buhlerin des C. Verres, dessen plebejische Klientin sie war. [Lateinisch-deutsches Handwörterbuch: 2. Chelidon, S. 1. Digitale Bibliothek Band 69: Georges: Lateinisch-deutsches Wörterbuch, S. 10203 (vgl. Georges-LDHW Bd. 1, S. 1112)]

Quid huic sacri umquam fore aut quid religiosi fuisse putatis : interrogative Verschränkung; quid ist gleichzeitig Fragepronomen und der Subjektsakkusativ des von putatis eingeleiteten AcI; überdies hängen von quid jeweils die partitiven Genitive sacri und religiosi ab.

qui ... non sentiat : denn würde er seine Schuld begreifen, dann käme er aus Furcht nicht vor Gericht

qui in iudicium veniat : ebenfalls konsekutiver Nebensinn

ubi […] posit : attractio modi oder finaler Nebensinn

qui […] potuerit : konsekutiver Nebensinn; Konj. Perfekt zur Bezeichnung der Vorzeitigkeit, weil miramur als zeitlicher Ausgangspunkt festgelegt wird.


[72]

nihil […] neque sacri neque religiosi : partitiv zu nihil

ut ab isto non solum hominibus verum etiam dis immortalibus bellum indictum putaretur : putaretur (unpersönliches Passiv) leitet hier keinen NcI, sondern einen AcI (bzw. AcP nämlich bellum indictum) ein; hominibus und dis immortalibus sind Dative.

demonstrant : das Subjekt (Segestani steht erst im nächsten Satz oder diese Stelle ist unpersönlich gemeint (man erzählt)

quae ornamento urbi esse possent : konsekutiv gefärbter Relativsatz; ornamento ist Dativus finalis, urbi Dativus commodi

mutarat : verkürzt aus mutaverat

quidem : adversativ

digna, quam sanctissime colerent : digna (sc. Diana) steht mit final gefärbtem Relativsatz „würdig, (um) zu“ [ = ut eam]


[73]

eo maiore odio dignam istius incredibilem audaciam iudicetis : eo ist nicht als Demonstrativum auf maiore odio zu beziehen, sondern absolut zu betrachten (Ablativus mensurae „um dieses, desto“); dignam (+ Ablativ) ist Prädikatsnomen zu audaciam also eigentlich „damit ihr dessen Feigheit als desto größeren Hasses würdig beurteilt“

Phalaris : Phalaris von Akragas (röm. Agrigent) war ein wegen seiner Grausamkeit berüchtigter, griechischer Gewaltherrscher. Den Bronzestier, von dem hier die Rede ist, soll er angefertigt haben lassen, um in diesem seine Feinde und ihm verhasste Personen zu verbrennen bzw. zu rösten. Das Schreien der versengenden Menschen soll wie das Brüllen eines Stieres geklungen haben. Paradoxerweise hat Phalaris angeblich zuerst den Erbauer des Stiers in diesen hineingeworfen, um dessen Funktion zu testen.

quo : Relativadverb „wohin“

vivos : prädikativ

dixisse dicitur aequum esse illos cogitare : (Scipio) dixisse dicitur NcI; von dixisse ist der AcI aequum esse abhängig, davon wiederum noch ein AcI illos cogitare

suisne servire anne […] obtemperare : Die Konstruktion mit ne…anne geht zurück auf die direkte Frage „Ist es nütztlicher dies zu tun oder jenes?“, wobei die Negation im Deutschen unübersetzt bleibt.

domesticae crudelitatis : die Grausamkeit im Innern, in ihrer Gemeinde; nämlich die, die von Phalaris ausging und sich gegen ihre Mitbürger richtete.


[74]

Carthagine capta : Abl. abs.

nihil mihi ab illis est demonstratum prius : eig. „wurde mir von ihnen nichts vorher gezeigt“


[75]

quasi illa ipsa face percussus esset : hypothetischer Vergleichssatz

ut […] sibi dent : bei finalen Begehrsätzen steht das Reflexivum bei Rückbezug auf das übergeordnete Subjekt

spem : die Hoffnung, irgendetwas von ihm dafür zu erhalten

quod imperator clarissimus urbe hostium capta monumentum victoriae populi Romani esse voluisset : relativische Verschränkung; quod bezieht sich zurück auf eo und ist Relativpronomen und gleichzeitig auch der Subjektsakkusativ des AcI; unabhängig formuliert hieße es: „er habe gewollt, dass diese Sache (Statue) ein Siegesdenkmal sei.“; urbe hostium capta ist Ablativus absolutus


[76]

quidquid erat oneris : eig. „was auch immer es an Last / lästiger Aufgabe gab”(partitiv)

aliquanto amplius : Abl. mensurae mit Komparativ „um ein Ehrhebliches / erheblich mehr“

amplius, quam ferre possent : [ = quam ut ferre possent] – leitet weniger einen Vergleichssatz ein, als vielmehr eine Folge mit einem unmöglichen Ereignis; im Deutschen steht der Irrealis, im Lateinischen wird lediglich der consecutio temporum in konjunktivischen Nebensätzen gefolgt.

circum : „auf…umher”

funditus : „von Grund auf, völlig“

simulacrum Dianae tollendum locatur : Gerundivum; wörtlich „das wegzuschaffende Bildnis wird hingestellt”


[77]

neque civem neque peregrinum : Hier stellt Cicero zwei Gruppen gegenüber und zwar römische Staatsbürger mit römischem Bürgerrecht und solche, die zwar im Reich leben, aber kein röm. Bürgerrecht besitzen.

quem conventum mulierum factum esse arbitramini, quem fletum maiorum natu : interrogative Verschränkung; der Kasus des Interrogativpronomen wird durch die untergeordnete Konstruktion bestimmt: quem ist gleichzeitig Fragepronomen und Subjektsakkusativ des von arbitramini eingeleiteten AcI.

Quid hoc tota Sicilia est clarius, quam omnis Segestae matronas et virgines convenisse : hoc ist Abl. comparationis und steht kataphorisch bzw. präparativ für den eigentlichen Vergleichssatz, der mit quam folgt; in diesem stehen Infinitive, da er von clarus als AcI abhängig gemacht wird: „was ist bekannter als dieses, nämlich als (dass es bekannt ist,) dass alle Frauen […]“


[78]

Quae cum : rel. Anschluss mit folgendem konzessiven cum

duas urbis […] captas incensasque vidisset : AcP


[79]

si […] sustulisset : nicht irreal, sondern obliquus und daher Konj. Plusquamperfekt als Ersatz des Konjunktiv Futur II zur Bezeichnung der Vorzeitigkeit zu venturos esse

locaverunt : sc. Segestani

eum defensum esse vis : Diese (vorzeitige) Konstruktion steht, um die Verteidigung des C. Verres als schon etwas für P. Scipio feststehendes zu skizzieren.

partis suscipio : [ = partes] ein Ausdruck aus dem Theater wie unser „eine Rolle spielen”

mos a maioribus traditus sit, ut […] defendat : explikativer ut-Satz zu mos; das Verb traditus est ist resultatives Perfekt „die Sitte ist überliefert worden“ also „ist sie überliefert“

nomine aliorum : nicht „mit dem Namen von anderen”, sondern „von jemandem mit einem anderen Namen“; somit war es Cicero eigentlich gar nicht erlaubt, für die Statue - und somit für das Andenken an P ublius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus – einzutreten; das hatte nämlich Quintus Caecilius Scipio Nasica zu erledigen, der wie gesagt den Verres sogar noch verteidigt!

obstruxit […] monumento : „dem Denkmal entgegenschichten / -bauen“ also dieses zubauen und somit die Sicht auf dieses versperren.


[80]

spoliata illa patieris : spoliata ist prädikativ, also „jene als geraubte hinnehmen“

recuperarint : [ = recuperaverint]

aut illi facere : add. possunt

te ac fidem tuam implorent : eig. „dich an- und deine Pflichttreue zu erflehen”

non est pudoris mei […] profiteri : prädikativer Genitivus possessivus; profiteri ist der zugehörige Subjektsinfinitv




Imperator


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